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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Wahrheitsserum? Insulinschocktherapie?«
    Kingsley seufzte. »Meine Güte, Lady Cray, es ist ein mildes Beruhigungsmittel.« Er griff in das Regal hinter sich und zeigte ihr eins der kleinen Gläser, die dort in einer Reihe standen.
    »Also gut.« In der Ecke seines mit Büchern vollgestopften Sprechzimmers - sehr psychiatermäßig, fand sie, nachdem sie es zum erstenmal gesehen hatte (sie wollen alle, daß man glaubt, sie könnten lesen) - war ein Wasserspender. »Gut, geben Sie mir ein bißchen Wasser.«
    »Oh, Verzeihung. Ich nehme sie immer ohne.«
    Sie nahm sie überhaupt nicht; die Pille verschwand unter ihrer Zunge. Als er ihr den kleinen Pappbecher mit dem Wasser brachte, schluckte sie es gierig und hielt ihm wie eine Schiffbrüchige den Becher entgegen. »Mehr.«
    Während er wieder zum Wasserspender ging, spuckte sie die Pille aus und warf sie in den Papierkorb. »Ich seh so gern, wie die Blasen hochblubbern, Sie auch?« Sie deutete mit dem Kopf auf den gläsernen Behälter, in dem das Wasser heruntergesaugt wurde, wobei ein blubbernder Strudel entstand. Sie zerknüllte den Becher und warf ihn weg. Wahrscheinlich ein Behaviorist, dachte sie. Gutaussehend, aber für Freud oder Jung scheint er nicht klug genug zu sein. Sie lächelte breit, damit sich ihr Grübchen zeigte. Sie haßte Grübchen, aber aus unerfindlichen Gründen fanden Männer Grübchen bei Damen in einem gewissen Alter absolut entwaffnend. Und so legte sie ihr süßestes Lächeln auf, als er ihr den zweiten Becher reichte.
    »So. Was machen Sie denn den lieben, langen Tag?« Lady Cray sah sich im Sprechzimmer um. Wenn man sich in dem Ledersessel umdrehte, sah man durch das große Aussichtsfenster die Fossilien aus Stonehengezeiten, die sich mit Spazierstöcken, Gehhilfen, Fräulein Rübe, der lispelnden Lisgrove und jungen Helfern durch die Gegend schoben. Der Pfarrer (sie hatte keine Ahnung, welcher Kirche er verbunden war, aber die Gemeinde mußte wohlhabend gewesen sein) bewegte sich langsam an der Buchenhecke entlang und schlug mit dem Stock dagegen. Und in weiter Ferne Wast Water. In sehr weiter Ferne. Tatsächlich so weit entfernt, daß man es nur von den Wällen aus mit einem Fernglas sehen konnte. In der Broschüre war es dargestellt, als reichte der Rasen direkt bis an die Ufer des Sees. Ein kaltes, unwirtlich aussehendes Gewässer, fand sie. Nicht wie die anderen Seen. Es war der tiefste in ganz England.
    »Woran denken Sie?« fragte er.
    »An Wast Water.«
    »Und warum?«
    »Ich dachte, das verraten Sie mir.«
    »Wie komme ich bloß darauf, daß Sie unkooperativ sind?« Er nahm lächelnd die Zigarre von Adam aus der Tasche. »Ich wußte, daß er die unterm Bett hortet.«
    »Ich war noch nie unter seinem Bett, mich dürfen Sie dazu nicht fragen.« Sie holte ihr schlankes goldenes Zigarettenetui aus der cremefarbenen Lederhandtasche und nahm eine Black Russian heraus. Unter ein paar Papieren fand Dr. Kingsley sein ebenso schlankes und sehr elegantes schwarzes Porsche-Feuerzeug. Erst gab er ihr Feuer, dann zündete er sich seine Zigarre an.
    »Als Arzt muß man sich hier ja dumm und dämlich verdienen. Das ist ein hübsches Feuerzeug. Ich habe genau so eins.« Sie wühlte ein wenig in ihrer Tasche herum. »Psychiater erkennen offenbar alles. Von der Spitze der Nelsonsäule aus würden Sie eine Zigarre ausfindig machen.«
    In Wirklichkeit galt das für sie selbst. Sie hatte immer vorzüglich sehen können und war sehr stolz darauf. Es war wunderbar zu beobachten, wie junge Leute zu ihren Brillen griffen, um den Tower zu sehen, wenn sie, Lady Cray, einen von den Raben dort aus achthundert Metern Entfernung erkennen konnte. Gut, das war leicht übertrieben. Oje, jetzt redete er über das Silberbesteck. Vielleicht war er doch kein Behaviorist. Es klang eher nach Freud für Anfänger.
    »... das Bedürfnis, einen Verlust aus Ihrer Kindheit wettzumachen.«
    Sie fuhr hoch. Allein das Wort Kindheit weckte in ihr den Drang, jedes einzelne Buch auf den Regalen zu zerreißen -und davon gab es viele. Drei Wände voll. Mimte hier den
    Psychiater und hatte wahrscheinlich keins gelesen. Neben einem der Aktenschränke stand ein zierlicher Tisch mit einer Warmhalteplatte und Gerätschaften zum Teekochen. »Es war das Teeservice«, sagte sie und sah zur Decke. »Wissen Sie, Mummy schenkte mir ein wunderschönes Puppen-Teeservice. Mit kleinen Löffeln und allem Drum und Dran. Mein Bruder hat es kaputtgemacht. Ich denke immer noch daran.« Mummy hatte an

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