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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Clive schon immer in Entzücken versetzt hatte). Auf Cocktailpartys wurde Clive ständig von jungen Leuten bedrängt, die offenbar glaubten, ein Zauberwort von ihm würde ihnen das Tor zur Verlagswelt öffnen. »Wohin«, fragten sie ihn unverblümt, »soll ich es schicken?« Worauf Clive erwiderte: »Ins graue Jenseits und in die ewige Seligkeit.« Herrlich, die unsicheren Mienen, die diese Antwort hervorrief. Die Unüberzeugten bohrten weiter: »Schon, aber wohin?«
    »Nirgendwohin, keine Chance, nichts, null, nada.« Sie waren tief beleidigt, entweder weil er sich nicht bereit erklärt hatte, das zu lesen, was sie geschrieben hatten (oder vorhatten, zu schreiben) oder weil er sie bei ihrem Wunschtraum ertappt hatte: Dem Lektor gefällt es, der Verleger kauft es, die Kritiker finden es toll, es folgen Ruhm und Reichtum.
    Der absolute Mangel an jeglichem Verständnis für das, was Schreiben bedeutete, ließ Clive immer wieder von neuem staunen. Niemand würde von einem Klempner, Elektriker oder Automechaniker erwarten, dass er es machte wie diese Möchtegernschriftsteller. Man stelle sich vor, ein Automechaniker würde sagen: »Hey, ich nehm jetzt diesen Porsche auseinander«, ohne dass er den Unterschied zwischen einer Lenksäule und einem Bremsklotz kannte.
    Und dagegen ein Mensch wie Ned Isaly, der mit seinem Notizbuch dort hinten in der Ecke saß. Ned, der in Gedanken überall sonst war außer in der Hotelbar des Hilton, der weder an Bestsellerlisten dachte noch an sechsstellige Vorschüsse, der das Glück hatte – oder eben die Qualität –, einen Lektor wie Tom Kidd zu haben, der seinerseits nichts von diesen Dingen hielt, der seinen Autoren nichts von Geld und Ruhm vorgaukelte und sie nicht anstachelte, danach zu streben, der nie von Verkaufsförderung oder Werbung redete. Für solche Dinge war Tom nicht zuständig.
    Im Gegensatz zu Clive, der Bücher akquirierte, aber nie wirklich selbst redigierte (etwas, das ihn beschämt verstummen lassen sollte). Einige dieser Bücher überarbeitete er »leicht«. Lektorieren bereitete ihm ziemliche Mühe, er griff überhaupt selten in den Text ein. Das Problem war (und er konnte sich nicht erinnern, es je eingestanden zu haben), dass er ein sehr schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein hatte. Er war nicht so gut, dass er ein Manuskript einfach zur Hand genommen und verbessert hätte. Deshalb schanzte er sich selber ja die einfachen Bestseller-Schmonzetten zu, Schmonzetten à la Dwight Staines. Er war immerhin so hell, dass er merkte, wo dort die Schwachstellen waren.
    Clive nahm noch einen Schluck. Hinter ihm quasselte Dwight immer noch, was das Zeug hielt, über sein neues Buch. Candy und Karl erörterten die Möglichkeit, gemeinsam an einem Buch zu arbeiten, und Staines erteilte ihnen dazu markige Ratschläge.
    Plötzlich stand Blaze Pascal mit ihrem Buch und ihren Zigaretten auf und ging zu Neds Tisch hinüber.
    (»Dust hath closed Helen’s eye.« Um was ging es eigentlich bei der ganzen Dichterei? Und wer war Helena? Die Helena von Troja? Oder eine, die von der Straße hereingeschlendert war und sich in seinem Kopf festgesetzt hatte? Ein riesiger Raum, leer bis auf einen einzigen Sessel – Queen Anne? –, in den sie sich setzte. Sich einfach hineinsetzte.)
    Was machte Blaze da? Er konnte nicht hören, was sie sagte, sah aber, dass sie Ned ein Buch hinhielt – Clive nahm an, dass es sich um Neds Buch Solace handelte, das sie von ihm signiert haben wollte. Ned beugte sich mit seinem Schreibstift herüber und signierte es lächelnd. Sie blieb stehen und redete weiter mit ihm. Als Kavalier musste er sie schließlich gebeten haben, sich doch zu setzen, was sie auch tat. Es wurden Getränke nachbestellt.
    Sie weigerte sich, Clive in die Augen zu sehen. Jedenfalls interpretierte es Clive als »Weigerung«. Ihr selbst war wahrscheinlich nicht einmal bewusst, dass er sie anstarrte. Was hatte sie vor? Was machte sie da? Was sie machte – nun, es sah ganz so aus, als würde sie sich an Ned heranmachen.
    Sally blickte von ihrer Zeitschrift hoch und sah Ned und die Frau mit den roten Haaren durch die Hotelhalle in ihre Richtung kommen. Schnell hielt sie sich die Zeitschrift vors Gesicht. Seit Ned in die Bar gegangen war, hatte sie hier gesessen. Sie hatte das Gefühl, dass das schon Stunden her war. Gelangweilt war es ihr inzwischen egal, ob jemand sie erkannte.
    Als sie vorbeigingen, konnte Sally sehen, dass die Rothaarige ein Exemplar von Solace bei sich hatte. Ned, Ned!

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