Grimes, Martha - Mordserfolg
zur Hand und setzte sich.
Was sollte das?
Er stand auf und ging zur Tür. Seine Assistentin, Amy Waters, arbeitete gerade an irgendeinem Text. »Amy, wo kommt das her?« Er hielt das Buch in die Höhe. Es hatte einen recht attraktiven schwarzweißen Umschlag mit in Silber aufgeprägtem Titel.
Amy kniff die Augen zusammen, als könnte sie die fünf Zentimeter großen Buchstaben von Fallguy auf die kurze Entfernung nicht erkennen. »Hat Bobby vielleicht liegen lassen?« Sie wandte sich wieder ihrem Text zu.
»Sie formulieren das als Frage, Amy. Die Frage habe ich aber Ihnen gestellt, bitte sehr.« Wieso machte er sich überhaupt die Mühe? Amy kleidete ihre Behauptungen doch immer in Frageform.
»Ach so. Also, Bobby war vorhin in Ihrem Büro.«
»Aber was hat er gesagt?«
»Nichts. Ging bloß rein und wieder raus. Er sagte: ›Hallo, Amy‹, aber ich hab nicht recht hingehört. Ich versuche gerade, diesen Text für den Katalog fertig zu machen.«
Clive knurrte und ging mit dem Buch in sein Büro zurück, setzte sich hin und starrte es an.
Danny Zito?
7
Clive wollte schon zum Telefonhörer greifen oder besser gleich in Bobbys Büro hinübergehen und ihn fragen, wieso zum Teufel er ihm das Buch hingelegt hatte, als Tom Kidd unvermittelt in Clives offen stehender Tür auftauchte. »Unvermittelt auftauchte« war der richtige Ausdruck, denn Tom hatte sich einen dunklen Winkel ausgesucht, und seine Züge waren nur schwer auszumachen, bis auf das in einer Art Tonsur geschnittene helle Haar, das ihm, von hinten beleuchtet, wie Schaum um den Kopf lag.
Tom gehörte nicht zu denen, die gern am Telefon quasselten oder fragten: »He, hast du mal kurz Zeit?« Wenn Clive ihn überhaupt zu Gesicht bekam, dann so wie jetzt, durch plötzliches Auftauchen. Er hatte selten Gelegenheit, sich mit Tom zu unterhalten. Clive richtete es aber auch nie so ein. Tom war keiner von denen, die auf einen Schwatz unter Lektoren vorbeischauten. Er lebte sozusagen in seinem Büro, das klein war, aber selbst für New Yorker Verhältnisse eine prächtige Aussicht hatte. Die Aussicht, dazu gedacht, Tom bei Laune zu halten, war jedoch Verschwendung, denn Aussichten auf Manhattan interessierten ihn nicht, da er bezweifelte, dass sich die Stadt von einem Tag zum anderen großartig veränderte (hatte er gesagt). Tom hatte lediglich festgestellt, dass die New Yorker Stadtansicht eine gute Kulisse für seine Bücherstapel abgab.
Clive stellte sich vor, dass Tom, wenn er überhaupt einmal den Kopf von der Lektüre eines seiner Manuskripte hob, gar nicht wirklich sah, wie etwa an einem Winterabend die Fifth Avenue erstrahlte, wie der Schein sämtlicher Straßenlampen vor dem Plaza Hotel durch den bernsteingelben Nebel drang. Er sah auch die dunkle Baumkulisse des Central Park nicht. Tom sah Wörter. Er würde die ganze Zeit die Wörter des Manuskripts vor seinem geistigen Auge haben – einen Satz, ein Bild, eine durchsichtige Seite, eingeblendet in die Ansicht des Plaza und des Central Park. Wessen Satz? Wessen Bild? Isalys? Grubers? Grace Packards? Seine Autoren, die die Szene dort unten mit derartiger Genauigkeit beschrieben, dass die Wörter mit dem Nebel und den Bäumen und dem Schnee verschmelzen und eins werden würden.
Das war es, dachte Clive, wie Lektoren wie Kidd tickten. Von der Sorte gab es nicht viele. Gott sei Dank. Kidd vermittelte Clive immer ein Gefühl von Unzulänglichkeit, obwohl er es gar nicht darauf anlegte. Er brauchte bloß in der verdammten Tür aufzutauchen.
Clive musste sich schnell fangen. »Tom!«, sagte er und erhob sich von seinem Stuhl.
»Clive.« Tom steckte sich gerade eine von seinen dicken Zigarren an. Die Dinger waren ziemlich gemein. Den Sturmlauf gegen das Rauchen hatte Tom Kidd scheinbar unbeschadet überstanden. »Ich habe gerade Tootsie Malone getroffen.«
Die Agentin von Jennifer Schiffler, Clives einziger guter Autorin. »Wollte sie zu mir? Was hat sie gesagt?«
»Keine Ahnung. Ich konnte die Sprechblase über ihrem Kopf nicht entziffern.«
Tom hasste Literaturagenten jeglicher Couleur, außer Jimmy McKinney, der im Büro von Mort Durban arbeitete.
»Ich höre, du nimmst Paul Giverney unter Vertrag.«
Clive versuchte nach Kräften, seine Rolle dabei herunterzuspielen, und meinte lachend: »Lege mich jedenfalls mächtig dafür ins Zeug.«
»Warum?« Tom hatte einen Schritt ins Zimmer gemacht, Rauch wogte hinter ihm hoch.
»Warum was?«
Tom nickte. »Warum brauchen wir noch einen
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