Grimes, Martha - Mordserfolg
kommerziellen Autor? Jeden Tag kommt wieder ein neuer daher. Und diesmal ist es Giverney.«
»Moment mal, Tom. Du weißt, dass jeder Verlag in Manhattan scharf auf ihn ist.«
Tom zuckte die Achseln. »Ich frage noch einmal, warum?«
»Also, jetzt setz dich doch erst mal hin, ja?«
»Nein, ich muss Marys Vertrag noch vollends durchsehen.«
Es ging um Mary Mackey. Clive nutzte schnell die Gelegenheit, vom Thema Paul Giverney wegzukommen. »Mackey ist ja so eine gute Schriftstellerin. Ich bin froh, dass du die extra Zwanzigtausend für sie rausgeschunden hast.« Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen: Da steuerte er direkt auf das Thema Vorschüsse zu! Mary Mackey hatte ursprünglich Fünfzigtausend angeboten bekommen, doch dann hatte Tom sie auf Siebzigtausend heraufgehandelt. Trotzdem waren es im Vergleich zu einem wie Dwight Staines oder Paul Giverney bloß Peanuts. Wenn Mackenzie-Haack nur fünfzehn oder zwanzig Prozent von dem Geld nähme, das man Autoren wie Staines oder Rita Aristedes zahlte, dann würde es reichen, die wirklich guten Autoren jahrelang zu versorgen. Das würde Clive natürlich nicht laut sagen, denn sonst käme Tom wieder mit einer von seinen Reden über die »alten Zeiten« daher. Damals, in der grauen Vorzeit des Verlagswesens, wurde noch Geld ausgegeben, um neue Autoren über Wasser zu halten, selbst wenn ihre Bücher jahrelang keinen Gewinn einspielten. Diese »alten Zeiten«, sie waren uralt wie Dinosauriergerippe.
In dem Zusammenhang musste Clive an die kürzlich stattgefundene Vertreterkonferenz denken, bei der Tom einen neuen Roman von Eric Gruber vorgestellt hatte. Ausführlich hatte er darauf hingewiesen, dass in diesem Roman ein Dinosaurier vorkam. »Bitte denken Sie daran, wenn Sie in die Buchhandlungen gehen, dass Eric Gruber ein Fabulierkünstler ist und kein Stephen King oder Michael Crichton. Wenn Sie ein griffiges Schlagwort brauchen, nennen Sie es meinetwegen magischen Realismus.«
Tom hasste griffige Schlagwörter.
Leo Brand, der Vertriebsleiter, sagte zu Tom, er redete immer daher, als wäre die gesamte Verlagsmaschinerie – inklusive der Vertrieb – ein verfluchter Pfahl im Fleische des Schriftstellers, der Verlag sozusagen ein Hindernislauf, den Toms Autoren zu absolvieren hatten, dabei sollte Tom besser dran denken, dass seine verdammten Autoren ohne Mackenzie-Haack nicht einmal gedruckt wären.
»Was ist daran so toll, dass man gedruckt wird –«, hatte Tom ungerührt gefragt. »Hauptsache, man hat einen Bleistift und ein Stück Papier!«
Anderen Lektoren – Clive jedenfalls ganz bestimmt – vermittelte er das Gefühl, als wären sie alle irgendwie inkompetent. Nun, waren sie auch, oder etwa nicht? Toms Autoren heimsten sämtliche Literaturpreise ein: ein Dutzend National Book Awards, mehrere Pulitzerpreise, Unmengen von hervorragenden Rezensionen, eine Reihe von Preisen des New York Critics Circle und ebenso viele ausländische Preise. Dies allerdings zugegebenermaßen im Laufe einiger Jahrzehnte. Aber für irgendeinen anderen Lektor hatten Jahrzehnte nicht diese Flut von Preisen gezeitigt, ja nicht einmal für alle Lektoren zusammengenommen. Vereinzelt waren Preise an von anderen Lektoren betreute Bücher gegangen, aber das war alles.
Es gab natürlich keinen einzigen Verlag in ganz New York, der nicht die Fangarme nach Tom ausgestreckt hätte, um ihn Mackenzie-Haack abspenstig zu machen. Der größte Köder, den man ausgeworfen hatte, war das Angebot, seine eigene Programmreihe zu machen – ursprünglich Queeg & Hydes Offerte. Über all dem lag natürlich der Mantel strengster Verschwiegenheit, doch da es im Verlagswesen wie in der Politik keine Geheimnisse gibt, war die Sache schließlich Bobby Mackenzie zu Ohren gekommen, der Tom daraufhin natürlich (nicht besonders originell) das Gleiche angeboten hatte: eine eigene Programmreihe. Das würde bedeuten, dass Tom einen kleinen Teilbereich von Mackenzie-Haack ganz für sich hätte. Sein Name würde direkt unter dem Verlagsnamen auf dem Buchrücken und der Titelseite erscheinen. Sehr prestigeträchtig, so eine eigene Programmreihe. Clive bemühte sich schon seit Jahren um eine. »Ein Clive-Esterhaus-Buch.« Sah wirklich gut aus, wenn er es in Druckbuchstaben auf ein Blatt Papier schrieb. Doch geworden war daraus nichts.
Tom Kidd hatte (eigentlich kaum überraschend) Queeg & Hydes Offerte und die eigene Programmreihe abgelehnt. »Warum?«, hatte er Bobby gefragt, als der ihm das Gleiche
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