Grimes, Martha - Mordserfolg
»Weißt du was, wir gehen zu Swill’s! Ist zwar noch etwas früh, aber ich will aus dem Haus. Oder machen wir wenigstens einen Spaziergang im Park.«
Da fragte sich Ned, ob er sich im Hinblick auf die Wohnung vielleicht auch geirrt hatte. Womöglich war es gar kein Zufluchtsort, gar kein »sicherer Hafen«.
11
Clive war immer noch in seinem Büro, wo er seit halb sechs darauf wartete, dass Amy nach Hause ging. Er hörte, wie noch mit Papieren geraschelt wurde, der Drucker Seiten ausspuckte, Schubladen mit lautem Geklapper auf- und zugemacht wurden. Was zum Teufel tat sie eigentlich? Manchmal fand er Amys Einsatzfreude für ihren Job verdammt störend. Es war aber eigentlich nur eine Pseudo-Einsatzfreude, die sie, wie sie hoffte, die Leiter hinauf bis zur Lektorin führen würde. Es schwirrten genügend Titel durch die zugigen Korridore der meisten Verlagshäuser, so dass Amy sich einfach einen aus der Luft schnappen konnte. Und viele bedeuteten ein und dasselbe: leitender Lektor, Cheflektor, geschäftsführender Lektor; außerdem gab es Verleger, Verlagsleiter und stellvertretende Verlagsleiter. Und weiß Gott was noch alles.
Jetzt musste er ihr aber sagen, sie solle nach Hause gehen. Er wollte bei seinem Telefonanruf nicht belauscht werden.
Er wollte gerade aufstehen, als Amy – schon im Mantel – plötzlich in der Tür stand und sagte: »Na dann, gute Nacht?«
Als ob es eine Frage wäre. »Ja, gute Nacht, Amy. Haben Sie den Text fertig gemacht?« Dumm von ihm, es nicht bei »Schönen Feierabend« zu belassen.
»Hab ich Ihnen doch schon gesagt?« Es klang wie Gejammer. »Ja, ich hab ihn fertig.«
»Gut, gut. Also dann…« Er nickte. Sie rührte sich nicht. Fand das hier denn überhaupt mal ein Ende? Er nahm einen Gummiring aus einer kleinen Dose und begann damit zu schnalzen.
»Bye!«, sagte sie auf einmal so atemlos, als wäre sie gerade an der Tür vorbei gerannt und von seinem Anblick völlig überrascht worden.
Nachdem sie weg war, gab es keinen Grund mehr, es aufzuschieben. Jetzt brauchte er aber erst mal einen Drink, irgendwas, ein Schnäpschen, eine Dosis Kokain, ein Betäubungsmittel. In der untersten Schreibtischschublade bewahrte er eine Flasche Bombay Gin auf (als Hommage an Sam Spade und Konsorten), entschied sich dann aber gegen den Gin, der ihm in der jetzigen Situation wie ein Marschflugkörper ins Gehirn gefahren wäre. Bobby hatte Scotch, der würde ihn aufwärmen, ohne gleich seinen Verstand außer Gefecht zu setzen.
Clive stand auf, steckte sich das Karteikärtchen mit der Adresse in die Tasche (aus Angst, es könnte sonst entdeckt werden) und ging hinüber ins Großraumbüro und den Korridor hinunter zu Bobbys Büro. Er trat vom Vorzimmer ins Büro, wo er die kleinen Klapptüren an dem hübsch gemaserten Mahagoniholzschränkchen öffnete, den Scotch herausholte und sich in eines von Bobbys Whiskeygläsern aus Muranoglas ein paar Fingerbreit einschenkte. Bobby hatte nichts dagegen, wenn man sich an seinen Privatvorräten bediente. In solchen Dingen war er ziemlich großzügig. Dann setzte sich Clive auf das alte weiche Sofa und streckte die Beine von sich.
Ja, Bobby wäre an sich ein toller Boss, wenn er sich bloß drei Tage hintereinander gleich bleiben könnte. Sein sprunghaftes Verhalten erklärte sich zum Teil dadurch, dass dieser Mensch als Verleger eine Art Genie war. Aber mal ehrlich: War diese ganze Geschichte mit Paul Giverney nicht reichlich kindisch? Er kippte den ersten Drink, stand auf und schenkte sich noch einen ein. Schon fühlte er sich lockerer, entspannter, gelassener, er hatte die Sache unter Kontrolle und beschloss, gleich von Bobbys Büro aus anzurufen. Sich auf die Couch zu legen und anzurufen. Die Vorstellung gefiel ihm. Dieser ganze unausgegorene Plan war so verrückt, dass er dabei ganz entspannt sein konnte.
Auf einem Beistelltisch neben der Couchlehne stand ein Apparat. Er holte das Kärtchen heraus, wählte die Nummer. Überrascht stellte er fest, dass es eine innerstädtische Nummer war. Er hätte gedacht, Danny Zito hätte sich möglichst weit von New York verzogen.
Er spielte mit dem Telefonkabel herum, ließ es sechs Mal läuten und wollte schon auflegen (mit einem Seufzer der Erleichterung), als er hörte, wie der Hörer abgehoben wurde. Er fragte sich, wie groß die Wohnung war, die die Dienststelle Danny zur Verfügung gestellt hatte.
»Mmja.« Die Stimme klang nicht mürrisch, bloß gelangweilt.
»Dan… Verzeihung. Ist Jimmy
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