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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ordentliches Quantum Single Malt Whiskey hinter die Binde gekippt hatte. Ned hörte schon gar nicht mehr hin, er war selbst ganz benommen vom Bourbon und den Gedanken an Nathalie. Den Gedanken daran, was sie tat und fühlte. Und plötzlich ging ihm auf, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, ob das, was sie tat, auch »passte«. In dem Moment schlug er die Augen auf und sagte zu Saul: »Du hast Recht.«
    Ja, sie stritten sich und schwadronierten gelegentlich auch, aber das war etwas anderes. Jamie kritisierte zwar Neds revisionistische Theorien über die alten Zeiten in Pittsburgh, übertrug diese Kritik aber nicht auf seine Arbeit, auf seine Pläne für Nathalie. (Den Namen kannte sie nicht, denn Ned redete nie über das, was er gerade schrieb. Jamie musste sich mit »Ihre Protagonistin oder was auch immer« behelfen.)
    An diesem Abend gab es Streit, und angefangen damit hatte Sally. Ned (der, wie Sally bemerkte, ihre schlechten Nachrichten offenbar total vergessen hatte) eröffnete ihnen, er würde nach Pittsburgh fahren. Er müsse eine drei- bis viertägige Auszeit vom Schreiben nehmen. Und sie sollten ihm (warnte er) jetzt bloß nicht mit diesem rührseligen oder pseudozynischen Blödsinn daherkommen von wegen, es führe kein Weg zurück.
    »So hat Wolfe es ja sowieso nicht gemeint«, sagte Jamie.
    Saul nahm die Zigarre aus dem Mund, als könnte er Jamie dadurch besser sehen. »Aber das ist doch lächerlich! Selbstverständlich hat er es so gemeint. Wolfe war ein ganz sentimentaler Typ. Damit will ich nicht unbedingt sagen, er hätte Unrecht gehabt.«
    »Ach, hören Sie doch auf, Sie Wichtigtuer«, rief Jamie aus.
    Saul errötete leicht. Er neigte tatsächlich zur Wichtigtuerei, das war ihm klar.
    An Sally gewandt, die stumm dasaß und Cashewnüsse in sich hineinstopfte, meinte Jamie: »Warum sind Sie so sauer?« Dabei ließ sie ihr altes Feuerzeug Marke Ronson zuklappen.
    Sally machte eine Kopfbewegung in Richtung Ned. »Im Verlag ist irgendwas im Schwange. Ich glaube, die wollen versuchen, aus dem Vertrag mit ihm irgendwie rauszukommen.« Sally erzählte Jamie von dem Gespräch, das sie in Bobby Mackenzies Büro belauscht hatte.
    Jamie musterte sie ungläubig. »Das ist ja verrückt. Ned?«
    Der hatte inzwischen die Gibson-Girl-Zeichnungen betrachtet und dabei überlegt, ob die Rothaarige mit der Hochfrisur vor langer Zeit vielleicht sein Vorbild für Nathalie gewesen war und er es vergessen hatte.
    »Ned!«
    Er fuhr ruckartig in seinem Sitz hoch. »Was?«
    Sally stützte den Kopf in die Hände und schaukelte ihn hin und her. »Der hört nicht zu; der nimmt das nicht ernst«, kam es gedämpft hinter ihren Händen hervor.
    »Klar doch. Und ob ich das tue. Ist doch klar.«
    »Wenn du es drei Mal sagen musst«, bemerkte Saul, »tust du’s vermutlich nicht.«
    »Was kann ich da schon machen?«, sagte Ned. »Ich kann höchstens Tom Kidd fragen.«
    »Tom ist bestimmt nicht informiert.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil«, stieß Sally zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, »er dann doch dabei gewesen wäre.«
    »Irgendwann muss er es ja erfahren.«
    Sally wollte gerade etwas darauf erwidern, als der Kellner herüberkam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Er wusste schon, was sie wollten. Sie nahmen immer das Gleiche, die gleichen Drinks, bis auf die eine Eskapade mit den Mint Juleps: Saul und Jamie nahmen Martinis, Sally einen klebrig süßen Likör, Ned einen Bourbon. Der Kellner lächelte und ging. Saul ließ ihm immer fürstliche Trinkgelder zukommen.
    Ein Grund, weshalb sie immer gern hierher kamen, war vielleicht der, dass im Old Hotel alles so gedämpft und gediegen wirkte. Es war kein »Pseudoboheme«-Lokal und lag an einer weniger bekannten Straße am Rande von Greenwich Village, in einer Sackgasse, die vor einer weiß getünchten Kirche endete. Die Gäste sahen aber nicht immer so aus, als kämen sie aus Chelsea, dem Village oder SoHo. Auch war die Zusammensetzung der Gruppe jeden Abend anders oder kam einem jedenfalls so vor. Manchmal sahen sie aus, als kämen sie von Queens herüber, Leute aus der Arbeiterschicht, konservativ. Und dann gab es Abende mit Leuten aus Uptown: Central Park West, aus der Gegend östlich der 60. Straße, vom Sutton Place. Es änderte sich ständig. An diesem Abend sah es aus, als hätte man sich im Foyer des Dakota verabredet, um sodann im Pulk nach Downtown herunterzukommen.
    Wie hatten sie das Old Hotel bloß gefunden, diese Uptown-Emigranten? Diese

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