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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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übereinstimmen?«
    Jamie steckte sich die Olive aus ihrem Martini in den Mund und war gottfroh, dass die beiden Paare am Nebentisch für Ablenkung sorgten. Sie waren offensichtlich zum ersten Mal hier, denn für Gäste, die alles schon einmal gesehen hatten, blickten sie sich ein wenig zu ausgiebig um. Sie waren zu laut, wollten Aufmerksamkeit erregen, was den Frauen in ihren schwarzen und roten Kleidern mit den bis zur Taille hinunterreichenden Dekolletés mühelos gelang. Sie erhoben sich umständlich, sammelten Handtäschchen und Feuerzeuge ein und begaben sich in Richtung Treppenaufgang.
    Saul beobachtete sie eine Weile. »Und darüber sind Sie stinksauer, stimmt’s, Jamie?«
    Jamie sah ihn verständnislos an. »Worüber?«
    »Da sind Sie und Ned nun fast am gleichen Ort aufgewachsen und haben oft die gleichen Erinnerungen – oder sollten sie Ihrer Meinung nach haben –, aber wieso haben Sie dann nicht auch so ein Talent? Sie haben das Gefühl, Sie müssten jedes Jahr zwei bis drei Bücher produzieren, was aber gar nicht sein muss, um Ihren Mangel an Talent ihm gegenüber wettzumachen, und obwohl Sie sich in Worten ertränken, klappt es doch nicht.«
    Jamie lief rot an. »Aber das ist doch lächerlich! Du liebe Zeit, ich bin doch nicht eifersüchtig auf Ned!«
    »Auf mich sind Sie nicht eifersüchtig. Aber auf Ned sind Sie eifersüchtig.« Saul beugte sich zu Jamie hinüber. »Jetzt will ich Sie mal was fragen: Sind Ihre Eltern immer noch in McKees Rocks? Und Ihre Geschwister? Tanten – nein, die haben Sie ja in Savannah, sagten Sie. Aber die anderen? Sind die in McKees Rocks?«
    Eine Weile blieb Jamie die Antwort schuldig. Sie machte ein Gesicht wie jemand, der sich bemüht, eine gewisse Gefahr zu umgehen. »Und wenn schon?«
    »Die von Ned nämlich nicht. Er hat nur noch Isaly’s Eisdiele. Seine Familie gibt es nicht mehr.«
    Jamie blickte angelegentlich umher und tat so, als sei Saul für sie Luft.
    »Konkurrenz ist alles, was Sie kennen«, sagte Saul, »so sehr, dass Sie sogar mit sich selbst konkurrieren müssen – was vielleicht zum Teil erklärt, wieso Sie so viele verschiedene Sparten bedienen –«
    »Schnauze, Saul! Sie haben doch keine Ahnung, wovon Sie reden. Und was die Treppe betrifft, habe ich Recht. Ned muss damals noch ein Baby gewesen sein –«
    »Dann erinnert er sich an ein Bild, das ihm jemand anderes vermittelt hat, sein Vater oder seine Mutter vielleicht. Ned ist ein Mensch, der sich an Erinnerungen orientiert. Eine Erinnerung muss noch lange nicht sentimental sein.«
    »Auf der Straße der Vergangenheit herumzulungern ist aber jedenfalls sentimental.«
    Saul lachte. »Auf der lungern wir doch alle herum.«
    »Ich aber nicht, ich nicht. Ich schaue nicht rückwärts. Sie übrigens auch nicht, glaube ich.«
    »Ach, nein? Jamie, ich lebe in einem Haus voll mit Kunstgegenständen. Es ist von Vergangenheit förmlich durchtränkt. Ich verändere nie etwas, außer dass ich einen Schreibtisch so hingedreht habe, dass er zum Fenster zeigt. Ich will, dass alles so bleibt, wie es ist.«
    »Das ist nicht das Gleiche. Was Antiquitäten betrifft, bedeutet Geschichte ihre Herkunft. Ihre Herkunft ist ein Teil von ihnen.« Sie lächelte selbstzufrieden und trank ihren Martini vollends aus. An ihr Glas tippend, fragte sie: »Will noch jemand einen?«
    Sally sagte: »Essen wir hier zu Abend oder was ist?« Sie fühlte sich irgendwie unzufrieden, niedergeschlagen, ohne dass sie mit Bestimmtheit sagen konnte, warum. Dann dachte sie: Habe ich etwa Angst, er könnte nach Pittsburgh fahren und einfach – verschwinden?
    » Was für eine dumme Frage «, gab sie sich selbst zur Antwort.
    » Was ist, wenn er nicht mehr wiederkommt?«
    »Also, was soll das…«
    »Aber was ist –«
    Die andere Stimme wandte sich indigniert ab. Und brummelte vor sich hin.
    Sally erspähte Ned, der sich zwischen den Tischen einen Weg zurück bahnte – die Lobby-Bar war recht voll, voller als gewöhnlich –, und beobachtete ihn genau, während er den Raum durchquerte, als könnte er sich in einer Rauchwolke auflösen, wenn sie den Blick abwandte.
    »Was ist los?«, fragte Saul.
    Jamie war aufgestanden, um zur Theke zu gehen und ein Weilchen zu schmollen. In diesem Bereich war die Lobby-Bar ziemlich verraucht. Saul erkundigte sich immer bei Sally und Ned, ob es ihnen etwas ausmachte, im Raucherbereich zu sitzen (in dem der Rauch merkwürdigerweise stehen zu bleiben schien, ein Phänomen, das bisher niemand hatte erklären

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