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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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herauf wie die Sonne am Horizont.
     

 
27
     
    Clive saß, die Hände vor dem Gesicht aneinander gelegt, hinter seinem Schreibtisch und wartete auf Pascal. Er fürchtete, hier nun etwas in Bewegung zu setzen, was er nicht mehr aufhalten konnte, wie einen Zug, der sich selbstständig macht. Halt, Korrektur: Er hatte bereits etwas in Bewegung gesetzt. Und versuchte jetzt, das Tempo zu zügeln.
    Pascals Sekretärin – mit Pascal persönlich hatte er nicht gesprochen – hatte sich nicht so angehört, als sei sie besonders hell, war jedoch sehr höflich gewesen. »Ja, Sir, ich soll Ihnen ausrichten, Dienstagnachmittag um drei, wenn Ihnen das recht ist.« Ihre Stimme klang noch nasaler, als sie »wenn Ihnen das recht ist« säuselte. Clive stellte sich eine weiche, rundbusige Blondine mit einem ausgeschnittenen Oberteil vor, das ihr Dekolleté zur Geltung brachte. Bestimmt kaute sie Kaugummi, den sie knallen ließ oder zu Ballons aufblies.
    Er schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Lag es an dem verdammten Manuskript von Dwight Staines, dass er inzwischen vermehrt zu solchen Stereotypen neigte? StandOff . Wenn Mr. Staines doch beim Inhalt ebenso geknausert hätte wie beim Titel, der reichlich Knappheit, Prägnanz und straffe Prosa versprach, dachte Clive. Aber nein, das verfluchte Machwerk zählte sechshundert Seiten (was in gedruckter Form gnädigerweise gekürzt würde) und war so geschwollen geschrieben wie immer. Es lag immer noch am gleichen Platz auf seinem Schreibtisch. Fünfundsiebzig Seiten – weiter war er bisher nicht gekommen. Wahrscheinlich würde er es so machen, dass er ein paar hundert Seiten übersprang und dann irgendetwas in der Mitte zu kommentieren und zu bearbeiten fand, um Staines im Glauben zu lassen, er würde tatsächlich redigiert. Er hatte schon wieder vergessen, was auf den fünfundsiebzig Seiten stand, die er gelesen hatte. Er strengte seinen Kopf tatsächlich an und versuchte, sich zu erinnern. Das Einzige, was ihm gerade noch einfiel, war dieses Frauenzimmer im Zug – Blanche? Belle? –, an die er sich nur deswegen erinnern konnte, weil die Figur absolut irrelevant war.
    Das Problem war, dass Dwight Staines ihm ein Loch in den Bauch fragen würde. Was halten Sie von dieser Figur oder jener Wendung in der Handlung? Hat Ihnen die Szene gefallen, wo –? Das hatte Mercy Morganstein, Dwights ehemalige Lektorin bei Quagmire, jedenfalls zu Clive gesagt, als sie ohne Punkt und Komma über Dwight daherquasselte. Mercy Morganstein war gerade dabei, zu einem anderen Verlagshaus zu wechseln. Schwer zu glauben, dass der Frau diese Bücher tatsächlich gefallen hatten. Was ihr – was ihnen beiden  – an Quagmire so gegen den Strich gegangen war (hatte sie ihm gesagt), war die Tatsache, dass die mit »unserem Dwight« einfach nicht arbeiten konnten.
    »Mercy«, hatte Clive von ihr wissen wollen, »haben Sie mit Staines eigentlich schon mal darüber gesprochen, ob er vielleicht mitgeht?«
    Nein, hatte sie nicht. Auf die Idee war sie überhaupt nicht gekommen. Sie klang pikiert, als fände sie so ein Vorgehen unerhört und hinterhältig. Hinterhältig mochte es ja sein, unerhört war es aber kaum. Ein Lektor müsste schon ein ziemlicher Trottel sein, wenn er nicht so viele Autoren wie möglich mitschleppen würde. Es kam doch andauernd vor, wenn Lektoren zu einem anderen Verlag wechselten. Dann ging die Initiative von den Autoren selbst aus, wenn diese zu ihren Lektoren eine enge Beziehung aufgebaut hatten. Mercy war jedoch nicht zu überzeugen, und nachdem Dwight Staines bestimmt wusste, dass sie wegging, war es ihm vielleicht egal oder er wollte sie schlicht nicht als Lektorin haben. Oder aber er wusste, an wen er sich besser zu halten hatte, denn Mackenzie-Haack hatte den Ruf, ein »literarischer« Verlag zu sein, wogegen Quagmire als fast ausschließlich kommerziell galt. »Unser Dwight« wollte auf der Leiter also anscheinend eine Sprosse höher klettern. »Unser Dwight« war ein Idiot, wenn er tatsächlich glaubte, ein etwas anspruchsvollerer Verlag würde seine Kieselsteine zu Diamanten schleifen. Nun gut! Dwight (hatte Clive gehört) war gerade auf einer von seinen Lesereisen und bliebe Mackenzie-Haack dadurch drei Wochen lang erspart.
    Clive betrachtete das Ganze als verdammte Fata Morgana, eine vertrackte Täuschung. Eine Fata Morgana allerdings, die viele tatsächlich für eine schimmernde Wasserfläche hielten und Stein und Bein darauf schworen. All die

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