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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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länger in einer winzigen Dachgeschosswohnung leben.
    In jedem Kinofilm wäre dies ein todsicheres Motiv, um im Gefängnis zu landen.
    Sie würden bestimmt die Spinner in der Schule befragen, all die dämlichen, gut gebauten Sportler und die Tussis, für die Vesper nichts weiter als ein schräger MOF -
ein Mensch ohne Freunde - war. Frau Dr. von Stein und die Wissmann und einige andere dazu würden bestimmt allerlei Gerüchte ausplaudern und sich an Dinge erinnern, die nie passiert waren.
    Vesper gestand es sich ein. Sie hatte ein Problem.
    Sie hatte eben zwei Polizisten belogen.
    »Ich habe es wirklich getan«, entfuhr es ihr laut. Sie wusste nicht einmal, ob sie sich ob dieser überraschenden Courage freuen oder aber ob dieser unglaublich großen Dummheit verzweifeln sollte.
    Nur einen winzigen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie den Polizisten hinterherlaufen und erklären sollte, was wirklich passiert war, doch dann schalt sie sich eine Närrin, auch nur daran zu denken, so etwas Dummes zu tun. Was, in aller Welt, sollten die beiden davon halten? Die Geschichte, in der ein Wolf und ein Ding, das ihre Mutter kopiert hatte, vorkamen, klang wirklich alles andere als glaubwürdig.
    Sie ging zum Fenster und blickte nach unten auf die Straße. Sie sah, wie die beiden in ein Auto stiegen und davonfuhren.
    Gut so!
    Das verschaffte ihr ein wenig Luft.
    Trotzdem, das ungute Gefühl, den falschen Weg eingeschlagen zu haben, ließ sie nicht los.
    Fieberhaft versuchte sie sich zu erinnern, ob jemand sie dort gesehen hatte. Ob sie jemand erkannt hatte.
    Vesper lief unruhig in der Wohnung auf und ab. Die Polizisten hatten den Weg hierher gefunden, und sogar
ihr Vater hatte ihre Anschrift gehabt und sie an den Notar weitergegeben.
    Was wäre denn, wenn das Wolfswesen ebenfalls der Spur folgen würde? Was dann? Und wo war der Unbekannte mit dem Mantel abgeblieben?
    Sie schluckte.
    Nein, es gab nur einen einzigen Weg. Sie musste von hier fort. Sie musste die Nacht an einem anderen Ort verbringen, irgendwo, wo niemand sie vermuten würde.
    Doch wo könnte das sein?
    Im Theater?
    Nein, dort würde man sie finden.
    Bei Ida und Greta?
    Sie schüttelte den Kopf, nein, besser nicht, das waren alles Spuren, denen ein geschickter Verfolger unschwer würde folgen können.
    Sie rieb sich die Augen, raufte sich verzweifelt das Haar.
    Was sollte sie nur tun?
    Draußen wurde es bereits dunkel. Und kamen die Wölfe nicht bevorzugt in der Nacht?
    Die Unruhe ergriff immer mehr von ihr Besitz. Sie wollte fort von hier und wusste nicht einmal warum. Sie hatte Angst vor den Wölfen, natürlich, die Wölfe rannten wirklich da draußen durch die Nacht.
    Sie sind eine von ihnen.
    Sie ging in Gedanken eine Liste der Menschen durch, die sie in einer solchen Situation mit einem Anliegen behelligen konnte, doch viele waren es nicht. Sie ging die
Schauspieler am Theater der Reihe nach durch, zog sogar in Betracht, ihren Exfreund anzurufen.
    Ach du meine Güte, so verzweifelt war sie also schon!
    Doch, nein, überall dort würde man sie ausfindig machen …
    Überhaupt; sie wusste ja nicht einmal, wie dieses Wolfswesen jagte. Sie wusste nicht, ob es allein war. Konnte es einfach nur Witterung aufnehmen? Oder suchte es nach ihr, indem es seinen Verstand benutzte?
    Am Ende musste sie sich eingestehen, dass sie es einfach nicht wusste. Gar nichts wusste sie, so simpel war das. Sie hatte nicht einmal eine Ahnung, um was für ein Wesen genau es sich bei der Kreatur handelte. Sie musste einfach nur von hier verschwinden.
    Ja, genau, das war jetzt wichtig.
    Je länger sie hier in ihrer Wohnung blieb, umso größer wurde die Gefahr, aufgespürt zu werden.
    Doch wohin, wohin, wohin?
    Sie ballte die Fäuste, starrte nach draußen.
    Die Schneeflocken zauberten plötzlich ein Lächeln auf ihr müdes Gesicht.
    »Mischa«, murmelte sie.
    Das Lächeln wurde breiter.
    Sie begann ein paar wenige wichtige Habseligkeiten in einen Rucksack zu stecken. Und als sie das tat, wurde ihr erst bewusst, dass sie sich auf der Flucht befand.
    Sie hatte keine Ahnung, wann sie in ihre Wohnung zurückkehren würde. Nein, ihr Leben drehte sich gerade in einem Wirbel aus Ereignissen, die sich ihrem Einfluss
entzogen. Sie würde fliehen und sich verstecken und am nächsten Morgen nach Blankenese fahren, weil dies die Spur aus Rosenstaub war, der sie folgen musste.
    Mehr, das wusste Vesper, konnte sie im Augenblick nicht tun. Und so verlor sie keine Zeit und machte sich auf den

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