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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Stadt herumgetrieben und erst am Morgen des nächsten Tages in aller Früh wieder nach Hause gekommen war. So oft hatte sie ihre Eltern belogen, geschwindelt, Dinge nicht wirklich wahrheitsgemäß wiedergegeben, um sich Freiräume zu ergaunern, die man ihr sonst nicht gewährt hätte.
    Natürlich wusste Vesper, dass ihre Mutter tot war, aber diese Tatsache jetzt von den beiden Polizisten zu hören, machte die Erinnerung an die grauenhafte Momente im Haus ihrer Mutter zu einer unabwendbaren Wirklichkeit. Die Trauer, die sie tatsächlich verspürte, erleichterte ihr das Schauspielern. Vor allem aber blieb ihr nichts anderes übrig, als ein wenig zu schauspielern. Niemand würde ihr das, was sie vor wenigen Stunden erlebt hatte, abkaufen. Nie und nimmer. Die beiden Polizisten hier schon gar nicht.

    »Es tut uns leid«, sagte Lettinger und wirkte unsicher. Vermutlich hatte er noch nicht sehr vielen Menschen die Nachricht überbracht, dass ein Angehöriger gestorben war.
    »Ja«, sagte Vesper. Sie trat zur Seite. »Mir tut es auch leid.« Sie hustete. »Aber treten Sie doch ein. Ich …« Die Stimme versagte ihr. Sie musste es wirklich nicht einmal schauspielern.
    Die beiden Polizisten betraten zaghaft die Wohnung.
    Vesper konnte sich vorstellen, dass es in ihrem Beruf angenehmere Aufgaben gab, als Botschaften dieser Art zu überbringen.
    »Ich …«
    »Es ist heute Nachmittag passiert.«
    »Wie?«
    Hoffmann sah sich in der Wohnung um. Mit dem neugierigen wachsamen Blick eines Polizisten, der irgendetwas zu finden hoffte. Etwas, was von Bedeutung sein konnte. Etwas, was man später als Information würde verwenden können. »Die Ursache des Brandes wurde bisher noch nicht geklärt. Die Nachbarn haben das Feuer entdeckt und sofort gemeldet.« Hoffmann machte eine kurze Pause und kam dann zur Sache: »Wann haben Sie Ihre Mutter zum letzten Mal gesehen?«
    Vesper schluckte, sah ihm in die Augen und wusste, dass sie weinte. »Das war gestern, in der Schule.« Das entsprach immerhin der Wahrheit. »Sie hat die Konzerte abgesagt. Ich wollte zu ihr. Wegen meines Vaters.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Dass sie noch immer weinen konnte, wunderte sie fast selbst.

    »Maxime Gold?« Es war keine Frage. »Der Regisseur.«
    Sie nickte. »Als ich es erfahren hatte, wollte ich zu ihr, aber …«
    »Aber?«
    »Sie schickte mir eine SMS und teilte mir mit, dass sie erst morgen nach Hamburg kommen könnte …« Sie senkte den Blick. »Das ist alles.«
    »Aber allem Anschein nach ist sie heute schon zurückgekehrt.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Hat Ihre Mutter Feinde gehabt?«
    »Feinde?« Vesper sah ihn an. Überzeugend überrascht genug, wie sie hoffte. »Sie hat nicht gerade viele Freunde gehabt.« Nachdenklich betrachtete sie die beiden Polizisten. »Wissen Sie, wer sie war?« Sie wartete die Antwort nicht ab. »Sie war Pianistin. Die Pianistin schlechthin. Sie war eine Diva, und jeder, der mit ihr zu tun hatte, stand in ihrem Schatten. Und wenn er nicht schon dort stand, dann hatte er sich gefälligst dorthin zu begeben.« Sie spürte eine Träne über ihre Wange rinnen. »Es gab bestimmt Menschen, die sie nicht mochten …«
    »Entschuldigen Sie bitte die Fragen«, sagte Hoffmann. »Aber wir nehmen an, dass sie keines natürlichen Todes gestorben ist.« Er erwähnte kurz den Flügel und die seltsame Position, in der man Margo Gold gefunden hatte.
    »Und eine Nachbarin glaubt, jemanden auf dem Grundstück gesehen zu haben.«
    Vesper schaute auf.
    Bloß das nicht.

    Sie musste ruhig bleiben. Hatte sie jemand gesehen? Wenn ja, dann würde sie das, was sie eben noch gesagt hatte, in einige Schwierigkeiten bringen.
    »Sie können uns also nicht mit Sicherheit sagen, ob Ihre Mutter Feinde hatte?«, kam Hoffmann auf seine Frage von vorhin zurück.
    »Nein, tut mir leid.«
    Er nickte, sinnierte über das, was sie gesagt hatte. »Es kann sein, dass wir in den nächsten Tagen mit weiteren Fragen auf Sie zukommen.«
    »Ist okay. Bitte, tun Sie das.«
    »Fräulein Gold«, blieb Hoffmann hartnäckig, »sind Sie sicher, dass Sie nicht dort waren?«
    Vesper starrte ihn entgeistert an. Was wusste der Kerl? Hatte ein Passant sie gesehen und beschrieben? Meine Güte, sie war vor dem Wolfsding geflüchtet - und wie hatte das wohl für einen Außenstehenden ausgesehen? Wie jemand, der auf der Flucht ist. Vesper starrte ihn weiter an und entschloss sich für einen lauten und verzweifelten Gegenangriff.
    »Was soll das?«, herrschte sie

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