Grimms Erben
zu wünschen übriglassen, was macht der Mann in einer international geführten Firma wie PumpLine? Und so frage ich, warum muss er auch noch Stokefan sein, wenn er Irish Stew für einen irischen Goalkeeper hält? Aber bitte, ich als Lars-»Blinde«Anhänger muss gefälligst die Klappe halten. Olsens Englisch ist nicht abiturreif, ich weiß aber, dass er die verheiratete Englischlehrerin auf der Klassenfahrt nach Cambridge im angesäuselten Zustand geküsst hat. Das Druckmittel reichte für glatte zehn Punkte im Grundkurs.
Ich wollte mit Olsen einmal nach New York zu einer Ausstellung namens »Cross’Fire« unseres Ex-Studienkollegen Martin Kreuz fliegen. Am JFK -Airport kam es zu folgender Begebenheit. Der uniformierte Zollbeamte, zugegebenermaßen ein ziemliches Donut-Gesicht, drehte verdächtig lange Olsens Reisepass zwischen den Fingern. Daraufhin folgte eine verbale Komödie, die ich, schon die Durchreise erlaubt bekommen, aus drei Meter Entfernung staunend verfolgte.
Donutface: »Good morning.«
Olsen: »Moin, Moin.«
Donut: »For how long do you stay in New York?«
Olsen: »Äh… not working… äh Olsen, out of Hamburg… just… äh… here are my tickets for the Knicks… please wait… äh..«
D: »Sir, for how long do you stay?«
O: »Steak? Äh yes, eating is great.«
D: »Listen Mister, are you here for holidays?«
O: »Oh, not Holiday Inn. I think Rivlingsten Hotel or so…«
D: »Oh my god, please get out of my face and have a nice stay.«
O: »Simsalabim!«
Jawohl, tolle Personenkontrolle. Und dann sprengt so ein Zauberer ganz Manhattan in die Luft. Meine Verblüffung trieb mir Wurzeln aus den Zehen, die sich in den Flughafenboden bohrten. Olsen wedelte mit seinem Ausweis und schritt mit einem überzeugten »Let’s go« an mir vorüber. Ole Olsen, Graphikdesigner und englischer Magier – seit neuestem a hanseatic supporter of Stoke City. What a pity!
Ich hingegen bin als Hamburger Jung für immer dem Münchner Rekordmeister verbunden – der Porösität japanischer Kfz-Teile und der zuvorkommenden Hilfeleistung Sepp Maiers sei Dank.
Unser Navigationsgerät zeigt noch 27 Minuten bis zum Ziel und just in diesem Moment erklärt die weibliche Stimme, die wir »Lady Fantasy« nennen, »Exit Ahead«. Ich folge.
Die zackigen Berge malen schon längst eine Kulisse, deren Erhabenheit atemberaubend ist. Hier und da erspähe ich gezuckerte Gipfel. Ob da oben Ski gelaufen wird?
Ländliche Gasthäuser säumen die grünen Straßenseiten. Pension Sammer, Gasthaus Heilmayer, Enzianhof, Hotel zum heiligen Sankt Florian. Tausend Schilder, welche freie Betten und Ferienwohnungen anpreisen. Einige weisen den Weg zu Gondelbahnen und deren Parkplätzen. Ich sehe mächtige Bauernhäuser mit verschnörkelten Holzverkleidungen, kunstvollen Dachgiebeln und riesigen Gemälden an den Wänden. Diese zünftigen Fresken wirken, als hätte man den Videorekorder während eines Heimatfilms der Sorte »Der Wilderer vom Silberwald« angehalten. Tobende Handwerker in ausholender Pose, vom Wildbret geblendete Jäger mit angelegten Flinten, aufgewühlte Sennerinnen beim Kühe Melken oder hohe, eingebildete Amtsträger mit aufgedrehtem Schnurbart blicken von den Häuserwänden zu uns ins Auto.
Am Straßenrand erspähe ich eine lustige Gestalt. Der Mann, der ein uraltes Fahrrad hält, hat eine Schweißerbrille, oder irgendeine dicke Schutzbrille auf der Nase. Oder sind das gar seine echten Sehgläser? Er trägt bei diesem Sommerwetter einen dicken Bundeswehrparka. Olsen hat so einen, da hat er The Who hinten draufgeschrieben. Mit weißer Plakafarbe. Der Mann nicht. Der hat dafür eine komische Vorrichtung auf seinem Fahrradlenker montiert. Ein Autoatlas liegt darauf, quasiein analoges Navigationsgerät. Ist das ein Bayer? Der müsste gezeichnet werden. Hochinteressant.
»Moin Bayern«, sagt Olsen mit krächzend müder Stimme. Er ist aufgewacht. Ein Speichelfaden zieht sich von seinem Mundwinkel abwärts.
»Was soll diese Musik?« Er deutet ungläubig auf die pumpenden Lautsprecher. Sein Gesicht versprüht Unverständnis und Abneigung, als würde man auf einen Leichenberg blicken.
»Der Soundtrack der Bergwelt«, sage ich fröhlich und drehe lauter. RADIO WATZMANN , you’re my wonderwall of sound.
»Du bist und bleibst ein ewiges Bayernschwein.« Olsen winkt ab und blickt aus dem Fenster. Den Speichelfaden bemerkt er nicht.
Drei — Hotzenplotz
Sicherlich, wir haben die Reise geplant, sehr gewissenhaft. Aber das
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