Grimms Erben
Schanktisch gerichtet, der mürrisch und träge der Anforderung Folge leistet, nachdem er ebenso ein »Zefix« als Antwort gegeben hat.
Zefix ist eigentlich ein bayrischer Fluch der weniger dramatischen Art. Möglich ist auch, wie ich gerade erkenne, dass man dieses Zefix auch mit dem Wort »verstanden« gleichsetzt. Amüsiert erinnere ich mich an mein letztes Antibiotikum, das ich gegen Streptococcus Pneumoniae einzunehmen hatte: Cefixim.
Rudi ist übergewichtig, schwitzt auf der Oberlippe und trägt eine schwarze Weste über weißem Hemd. Sein blond-grauer Scheitel klebt ihm an der nassen Stirn. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig und könnte mir vorstellen, dass sein Ableben in Form eines Herzinfarkts in den nächsten Jahren eintritt.
Der Schweinebraten war delikat. Die Dunkelbiersoße schwer und würzig. Unser Durst wächst.
»Verzeihung, Frau Ober, könnten wir noch…?«
Olsen reckt sein leeres Glas in die Luft und wedelt damit. Ich finde diese Art von Bestellung respektlos. Man kann doch auch den Satz zu Ende führen und sagen: »Könnten wir noch zwei Bier haben, bitte?« Aber gut, man versteht sich.
»Bittschön, no zwoa Bier, kummt sofort. Übrigens, i bin die Theres. Miassts ned Frau Ober zu mia sogn.«
Ihre Augen leuchten. Sie ist sehr freundlich und hat eine mehr als sympathische Art. Die ständige Bergluft sorgt offenbar für gute Laune bei der Bevölkerung.
»Ole. Ole Olsen.«
Olsen streckt ihr die Hand entgegen, die sie forsch ergreift.
»Und du?«, will Theres wissen. Sie kommt mir sehr nahe. Ich atme in die Falte ihrer großen Brüste.
»Joseph. Hallo.«
Hinter uns erschallt wieder Gelächter am Stammtisch. Die Männer lachen über etwas, das mit »Olli« und »Sepp« zu tun hat. Jetzt erst lasse ich die Hand von Theres los. Der Schankwirt schaut zornig und schickt ein »Zefix« in die Runde. Ich sagte, dass das Essen vorzüglich gemundet hat. Sie lächelt.
Als Theres weg ist, boxt mich Olsen in die Seite.
»Scharfer Besen.«
»Olsen, Mensch.«
Ich strafe ihn mit einem genervten Blick, muss aber zugeben, dass er nicht die Unwahrheit spricht. Dann geht es los. Theres stellt drei Schnäpse an den Tisch.
»De genga aufs Haus. Zum Verdaun vom Schweinsbratn. Prost!«
Sie lupft ein Glas in die Höhe, beim Prosten schaut sie mir in die Augen. Olsen nicht. Ich erkenne kleine Krähenfüße an ihren Augenwinkeln. Sie riecht leicht nach Parfüm. Ein wenig erdig zudem. Mir wird warm. Bestimmt vom Kirschgeist. Olsen macht deutlich, dass er Jägermeister lieber mag, aber um den Brauchtum des Bayernlandes zu verinnerlichen, will er alle regionalen Köstlichkeiten testen.
Ich flüstere ihm zu:
»Olsen, wir müssen hier nichts verinnerlichen, wir wollen nur ein wenig die Bergkulisse auf uns wirken lassen.«
Ich glaube, Olsen hat schon einen leichten Rausch. Er bestellt zweimal Williamsbirne. Und fünf für den Stammtisch. Und einen für Theres. Für Rudi, den Schankwirt, keinen.
Fümfe — Stammtischbriada
The Quality Of Work Is The Window To The Soul.
Dieser Satz prangt über dem Büro unseres PumpLine-Chefs Mike van Bergen. Alle wissen, er hat diesen hochphilosophischen Satz selbst erfunden und sich daraus ein Schild anfertigen lassen. Alle lachen darüber – hinter vorgehaltener Hand. Mike van Bergen ist ein seinen eigenen Anus leckender Schnösel. Ein ökonomisch Denkender, die Wirtschaftslage verinnerlichend und mit origineller Innovation darauf Antwortender. Das sind Designerbegriffe, die van Bergen uns jeden Montag beim allwöchentlichen Meeting mit einer Wichtigkeit aufs Morgenbrot schmiert, die weh tut, aber der Erfolg gibt ihm recht. Van Bergen nennt sich einen Kosmopoliten, den man gefälligst mit Mister und nicht mit Herr anzusprechen hat. Wir können unsere Produkte nur im internationalen Strom platzieren, sagt er, »wenn unser eigenes Blut international fließt«.
Van Bergen sagt zu mir »Tschossef«. Halten Sie sich fest – zu Olsen »Ouli«. Im Grunde spricht er ausschließlich Englisch. Pigeon English, Sie verstehen.
Er ist nämlich Deutscher und heißt Michael Berg, das hat einst eine bitter enttäuschte, weil gefeuerte und zudem von ihm belästigte Sekretärin ans Tageslicht flattern lassen.
Er will Leistung. Um jeden Preis. Flott.
Unser alpinistischer Märchentrip darf zwei Wochen dauern, und er wurde von van Bergen wie folgt genehmigt:
»Bayern? A foreign country, that’s international. Go south!«
Olsen und ich haben uns das wie folgt gedacht.
1 Tag Anreise.
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