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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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»Überleben ums Verrecken«.
    Olsen meint, könnte ja sein, dass man in lebensbedrohlichen Nahrungsmangel gerät, dann wäre es hilfreich zu wissen, wie man Fische zubereitet, die man sich mit zurechtgeschnitzten Haselnussspeeren aus reißenden Gebirgsbächen gabelt. Olsen war noch nie in den Bergen. Und jetzt passen Sie auf: Ich auch nicht.
    Bevor ich den CD -Player mit Oasis’ »Masterplan« anschmeißen kann, ertönt die schmucklose Stimme einer weiblichen Sprecherin auf B5 Aktuell. Ich höre kurz zu: »…ein Amokläufer aus Deggendorf ist weiterhin flüchtig. Vor dem Mann wird ausdrücklich gewarnt. Er könnte bewaffnet sein, heißt es. Wer den… .«
    Ich drehe weiter am Knöpfchen. Retortenmusik blitzt kurz auf, weitere Stimmenfetzen sind hörbar. Plötzlich flattern mir die heimatliche Klänge einer Blasmusik um die Ohren. RADIO WATZMANN lese ich auf dem Display. Da Olsen schläft und ich mir von den bayrischen Klän gen bajuwarische Einstimmung und märchenhafte Mystik verspreche, belasse ich es bei RADIO WATZMANN und lausche der regional-traditionellen Musik.
    Ich gestehe, ganz fremd ist mir das Bayernland nicht. Ich war einige Male in München, geschäftlich, wie man sich denken kann. Im Gegensatz zu einem Großteil meiner hanseatischen Freunde finde ich die bayrische Hauptstadt schön. Auch die Mädchen. Auch die Kulinarik. Auch die Griabigkeit, die eine besondere Art von Gemütlichkeit ist, an der sich nur Einheimische laben können. Aber ich habe sie gesehen, die Griabigkeit, und sie gefällt mir. Ebenso kann mein Gehirn leicht angehauchten Dialekt verarbeiten.
    Meine Affinität zum größten Bundesland könnte auch meinem Vater in die Schuhe geschoben werden. Warum?
    Ich bin FC-Bayern-München-Fan.
    Schon immer. Von klein auf. Lars Lunde ist mein ewiger Lieblingsspieler. Er war für mich zu seiner aktiven Zeit der Inbegriff von Kraft und Schönheit. Ich habe deshalb zwei geschwungene Lettern zwischen meine Schulterblätter tätowiert.
    Und am Endschwung des zweiten L setzt halb so groß Lundes Rückennummer an.
    LL II .
    L-L-Elf. Als würde ein Sprachbehinderter unsere Hausnummer sagen.
    Olsen hasst mich dafür. So richtig. Viele Hamburger hassen mich dafür. Was soll man machen? Ich hasse meinen Vater dafür, dass er mich mit dieser rot-weißen Krankheit infizierte, als ich sechs Jahre alt war. Pudelmütze, Schal, Teddybär in Vereinsfarben, Fahne, sich ausrollende Papiertröten in Rot und Weiß – das gesamte Paket. Ich heiße Joseph, wegen Sepp Maier, der meinem Vater einst zufällig bei einer Autopanne seines verkehrsuntauglichen Toyotas auf der B300 bei Geisenfeld/Bayern geholfen hatte. Was mein Vater in der Gegend zuverrichten hatte, hat er mir in der kurzen Zeit, die wir einander hatten, nie erzählt, vielleicht war er auf der Suche oder auf der Flucht, was soll ein zufriedener Hanseate sonst dort treiben. Über Sepp Maier urteilte er so:
    »’n überaus netter Mann, das sag ich dir. Flink war der, wie bei seinen Paraden. Griff sofort in den Motorraum. Ohne Scheu vor Schmutz und Verletzungen. Hatte dabei sogar seine Torhüterhandschuhe an. Schnackte auch mit mir. Über Schmierstoff, Öl und Waffen. Hat mir immer schon gefallen, der Sepp Maier. ’n überaus netter Mann. Ich liebe ihn.«
    Deswegen fahr ich Volkswagen, da geht nie etwas kaputt.
    Mein Vater dachte, Joseph Schmidt klinge trotz hanseatischer Herkunft selbstsicher und modisch. Wenigstens hat er nicht Sepp oder Die Katze von Anzing, Maiers Kosename, in die sich windende Geburtsurkunde eintragen lassen. Als Zweit- und Drittnamen jedoch Franz und Paul.
    Joseph Franz Paul Schmidt.
    Olsen ist, wie man das eben als Hypefollower in Hamburg so handhabt, St.Pauli-Fan. Sein Weltpokalsiegerbesiegershirt trägt er öfter, als das Textilgebinde vertragen kann. Von wegen, den Verein sucht man sich nicht aus, man wird hineingeboren. Wenn das so wäre, hat Olsen als Ex-HSV-, Ex-Werder-, Ex-Hertha- und Ex-Altonafan schon einige Reinkarnationen hinter sich.
    Olsen schickt seine fußballerische Aufmerksamkeit in letzter Zeit immer öfter über den Ärmelkanal. Als integrer Paulifan kann man getrost noch Supporter von einem englischen Club sein und so, ich glaube, ohne spezielle Querverbindung, nennt er sich obendrein Stoke-City-Fan. Olsens Fazit: So eine Zugehörigkeit zu einem Verein aus dem Mutterland des Fußballs unterstreicht eher seine Glaubwürdigkeit, als es ihr schadet. Interessant ist die Tatsache, weil Olsens Englischkenntnisse wirklich

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