Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
Vom Netzwerk:
Kartenbildes kleben vier symmetrische U. Ich ergreife mir den Stapel. Beim Durchblättern stechen mir neben grünen Feigenblättern, roten Herzen und gelben Zirbelnüssen weitere Männer in Amtstracht ins Auge. Könige, Trommler, aber auch ein Schwein, das auf seinem Rücken einen Hund transportiert.
    »Was ist das? Tarotkarten?«
    Hans lacht auf.
    »Ha, Tarot. I bi doch koa Hex.«
    Ich fahre fort, während ich einzelne Spielkarten auf den Tisch gleiten lasse.
    »Na, was soll das denn bitte sein?«
    Da liegt der Säbelmann, ich deute darauf.
    »Lampion Bube?«
    »Nix Bube, Dame, König, As. Bei uns hoassts Unta, Oba, Kini. Und des«, Hans deutet auf das Transportschwein. »Des is d’Schoin Sau. D’Hundsgfickte.«
    Meine Augenpartie verrät Ratlosigkeit. Aber irgendwas mit Ficken, das habe ich verstanden. Martl will helfen.
    »Schåfkopf!«
    Beleidigungen sind Olsen und ich an diesem Tisch mittlerweile gewöhnt. Ich lege die Karten wieder hin und deute darauf.
    »Was ist das für ein Spiel?«
    »Schåfkopf!«
    »Ich habe verstanden. Wie das Spiel heißt, das man mit diesen Karten betreibt, würde ich gerne wissen.«
    »Schåfkopf! Des Spui hoasst Schåfkopf, vastehst ned?«
    Olsen eilt mir zu Hilfe.
    »Müsste es nicht richtigerweise Schaf-s-kopf heißen?«
    »Geh, Deppal.«
    Adi packt sich den Kartenstapel und mischt ihn akrobatisch und geisterhaft schnell. Es flattert in der Stube.
    »Schåfkopf. Tarock kennt ma aa sågn. Kennst ned? Hochkomplex. A bissal wia Skat, so hoassts doch bei eing ohm, oda? Nua andersta. Im Schåfkopf gibt’s Sauspui, Farb Zuagebn, da Oba sticht an Unta, Oanasechzg Aung, Solo, Wenz…«
    Ich benötige eine Dechiffriermaschine. Olsen und ich folgen kurz den ärgsten Regeln. Wer mit wem, Sauspiel, Eichel-/Gras-/Herz-/ Schellen-Solo, Tarife usw. Hochkomplex. Die Theorie sei das eine, versichern die Bayern, die Praxis noch mal eine weitere Kunst. Im Grunde haben wir alles Wichtige angeschnitten. Spielen will ich nicht, Olsen auch nicht. Die Brüder scheinen darüber sehr froh.

    Theres stellt wieder Bernsteinkolben auf den Tisch. So sehen die großen Gläser mit der Bierfüllung aus. Ich beiße in den blauen Dunst, der sich hartnäckig im Raum hält. Olsen beharrt weiterhin:
    »Grammatikalisch richtig wäre Schaf-s-kopf.«
    Adi zählt uns einige famose Persönlichkeiten des Bergsports auf und schneidet oberflächlich, aber warnend die Gefahren des alpinen Wanderns an. Vom Klettern ganz zu schweigen.
    »Voa åim füa Anfänga und Schiffsbuam.«
    Olsen fühlt sich ein wenig in die unzurechnungsfähige Ecke gedrängt. Ich kann in seinem Gesicht lesen, dass er eine Wanderung zu einem Berggipfel für keine große Sache hält. Er versucht einen kleinen verbalen Gegenschlag.
    »Ach ihr Bayern und eure Alpen. Im Grunde seid ihr doch das meistüberschätzte Bundesland. Nur Kühe und Stiere, wie ihr es seid, und ein paar Skipisten – mehr steckt doch nicht darin.«
    »Bayern is a Wåidmacht!«
    Das kommt wie aus der Pistole gefeuert. Ich stiere zitternd auf das Holzschild in der Mitte der Runde, auf dem vermerkt ist, dass man sich an diesem Tisch in einer veschworenen Gesellschaft befindet. Ich hasse Olsen.
    »Bayern kannt in jeda Sekundn autonomes Gebiet sei. Vo null auf hundat kannt Bayern vom Freistaat zum Staat werdn ohne logistische oder politische Unzulängligkeiten. Bayern hätt mit Franz Josef Strauß soimois d’Monarchie ostrebn kenna.«
    Bei Franz Josef Strauß bekreuzigen sich die fünf Partenkirchner flott.
    »Bayern is a Woidmacht.«
    Adis Daumen fährt aus seiner klobigen Hand.
    »Erschtns: D’beste Buidung, ned bloß in Deitschland. Pisa und so weida ois Bestätigung, ge!«
    Von wegen! Ich will ihn protestierend auf den rechtschreibfehlerhaften Rum-und-Ähre-Aufkleber aufmerksam machen, kriege aber nur eine Otto-Waalkes-Grimasse zustande.
    Adis Zeigefinger schnellt hervor.
    »Zwoatns: Wirtschaftslage oans a.«
    Ringfinger. Ich stelle fest, dass die ersten beiden Glieder des Mittelfingers fehlen, deswegen bleibt der aus.
    »Ualaubsziel Milliarda Menschn.«
    Kleiner Finger.
    »Und s’ Wichtigste.«
    Dramatikpause.
    »D’bestn Fuaßballa.«
    Olsen nickt anerkennend. Ehrlich anerkennend. Ohne ironischen Gesichtsverzieher.
    »Fünf gute Gründe«, meint er überzeugt. Er ist auf den von der Natur gegebenen Mittelfingertrick reingefallen. Eigentlich waren es nur vier.
    »Warn erst viere«, klärt Adi selber auf. Seine Pall Mall hat er seit seiner Bayernrede nicht aus dem Mund genommen.

Weitere Kostenlose Bücher