Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
Vom Netzwerk:
gemacht habe. Mein nebulöser Zustand lässt mich gedanklich abdriften. Ich schlendere durch einentiefen Farnwald, zahme Waldtiere stehen neben mir Spalier und grüßen freundlich. Hase und Igel. Hirsch und Reh. Dachs und Fuchs. Ein Förster taucht auf. Es könnte Adi sein. Er nimmt mich bei der Hand und führt mich zum Wirtshaus im Spessart. Dort eingetreten, sitzen fünf Räuber an einem Tisch. In deren Mitte, fiebernd und schwitzend, Olsen und ich. Wir scheinen auf etwas zu warten. Ein lauter Knall lässt mich aufschrecken. Theres, die wahre Wirtshausprinzessin, hat weiteres Trinkmaterial auf den Tisch gestellt.
    Olsen wird heftig malträtiert, offenbar amüsieren sich die alten Haudegen schon wieder mit ihm. Der verschwitzte Scheitel pappt auf dem Kopf. Unter der Nase trägt er plötzlich einen kurz gestutzten Schnauzer. Ich erschrecke, will ihn stotternd darauf hinweisen. Mein Zeigefinger nimmt den braunen Fleck ins Visier.
    »Koa Angst, du Depp. Des is bloß a Schmeizler«, beruhigt mich Hans.
    Die Stimme scheint aus seinen tränenden Augen zu kommen.
    »Schweizer?«, frage ich verblüfft.
    »A Schnupftabak, du Ochs. Kennst ned?«
    Ich muss pinkeln.
    Blass schleppe ich mich aufs Klo. Aus Versehen gelange ich in die Küche, aus der mich Rudi mit einem »Zefix« hinausgeleitet. Als ich nach dem Urinieren wieder aus der Toilette trete, steht Theres vor der Tür.
    »Hallo Joseph, wo warn mia denn solang?«
    Sie streicht mir mit ihrem Zeigefinger schelmisch über die textilisierte Brust. Sie hinterlässt einen Schweißfleck in der Form des Kontinents Afrika auf meinem T-Shirt. Vielleicht ist es aber auch verschüttetes Bier und war da schon vorher.
    »Pissen«, fällt unbedarft aus meinem Mund. Ich verfluche mich dafür. Irgendwie finde ich Theres sexy, da passt das Wort pissen nicht so sehr in eine charmante Kommunikation. Ihr ist es offenbar nicht aufgefallen. Sie fummelt weiter an mir herum. Hat sie keinen Ehemann, oder warum macht sie mich so an?
    »Du bist liab.«
    Sie küsst mich auf die Wange. Ich erröte und schaue blöd.
    »Theres, entschuldige, aber… äh…«, ich überlege kurz, wie ich eigentlich was sagen will, und entscheide mich dann doch, sie auch auf die Wange zu küssen. Dann gehe ich schnell an ihr vorbei und drücke mich zurück in den Gastraum. Am Stammtisch grölen alle vor besinnungsloser Heiterkeit, außer Olsen, der ist komisch verdreht, wie ein Schlangenmensch. Oberkörper unterm Tisch, Beine auf der Sitzbank.
    Mundl verbeißt sich in seine Pfeife. Adi klatscht in die Hände. Wolfe steht lachend am Schanktisch und schenkt selber nach. Martl versucht grölend, Olsen wieder auf die Beine zu helfen, und Hans ist schon nach Hause gegangen.
    »Dea woit uns zoang, wias auf da Reepabahn zuagäht. Gschpusi Gschpusi – Erotikdancing!«
    Olsen als Tabledancer. Ich kann mir vorstellen, wie ihn der vom Alkohol zerstörte Gleichgewichtssinn vom Tisch fegte. Besoffener Sack.
    »Mensch Olsen, komm auf.«
    Olsen brüllt mit hochgereckter Faust: »S-s-sssafari. Biene Maja Show.«
    Ich bringe Olsen schnell ins Bett und will noch einmal nach unten, um die Rechnung zu begleichen. Die Artusrunde hat sich aufgelöst. Die Bergfexen sind in ihren Almhütten verschwunden.
    Theres räumt lächelnd die Tische ab, und Rudi steht schimpfend an der Reinigungsanlage, Gläser waschen.
    »Zahlen«, werfe ich in Richtung Theres.
    »Glei. Glei bin i fertig.«
    Ich glotze stumpf in den Wirtsraum. Mein Kopf fühlt sich an wie eine Wollmütze. Und ich habe Pelz auf den Wangen.
    Die Hirschgeweihe scheinen Knoten in ihren Hörnern zu haben, die alten kunstvoll bemalten Schießscheiben an den Wänden drehen sich, die Gesichter der ehemaligen Wirte des Brandtnerhofs auf den Fotos an der Wand scheinen mich zu grüßen und Theres tanzt schwungvoll von Stammtisch zu Schanktisch, von Schanktisch zu Stammtisch, von Stammtisch zu Schanktisch, von dort zu mir.
    »Kumm.« Sie ergreift heimlich meine Hand. Auch da ist Pelz drauf.
    »Zahlen«, brabble ich im Hinausgehen.
    »Jaja, du zoist scho.«

    Sechse —Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd’
    »Das ist aber nicht mein Zimmer.«
    Ich lobe mich innerlich, dass ich das in meinem kaputten Zustand noch erkannt habe. Theres drückt mich in einen dunklen Raum. Der Grad unserer Bekanntschaft und die energische Berührung stehen in keiner angemessenen Relation.
    »Zahlen.«
    Ich halte ihr eine offene Hand hin, weiß aber eigentlich, dass das ihre Geste sein müsste. Einige Synapsen sind dabei

Weitere Kostenlose Bücher