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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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Zustand manövriert, in dem man alle Gedanken körperlich ausleben konnte. Eine Art Traummaschine, in der man zur Hauptfigur wurde und alles eins zu eins erlebte, was man ersann. Am Ende eines jeden dieser Abenteuer erhielt man die soeben durchlebte Phantasie als gedrucktes Buch. Als Erinnerung an die Erinnerung.
    »Versuche es, mein Junge.« Doktor Greif rieb sich die Hände, im Wissen, Samuel würde dieser Verlockung nicht widerstehen können.
    »Er versuche es. Hier!«
    » Wie bitte?« Samuel war sichtlich nervös, seine Neugier brannte ihm aber ein Loch in den Magen.
    »Er steige hinein«, empfahl der Doktor nachdrücklich. Sein behandschuhter Zeigefinger deutete auf die Öffnung in der Kabine.
    Mit großen Augen, jugendlichem Überschwang und springendem Herzen betrat Samuel die Kammer, die Doktor Greif von außen mit einem Drehrad abschloss. Durch ein Sprechrohr befahl Doktor Greif dem jungen Mann:
    »Er setze den Zylinder auf den Kopf. Gut so. Er lege die Handinnenflächen auf die beiden silbernen Kugeln vor ihm. Gut so, jaja. Er schließe die Augen. «
    Die Stimme klang blechern hallend und deswegen so unwiderstehlich.
    Doktor Greif hantierte an allerlei Knöpfen und Schalthebeln. Zahnräder setzten sich in Bewegung, Mechanismen setzten sich dampfend in Gang. Doktor Greif legte seine fiebernden Lippen auf die Sprechmuschel und befahl: »Und nun:Er phantasiere!!! «
    Samuel Boden tat, wie ihm gehießen, aber nichts von alldem trat ein. Auch er wurde nie wiedergesehen, so wie viele weitere junge Menschen aus der Gegend, die als vermisst galten.
    Ein Dutzend Jahre später wurde hinter der Fabrik des Doktor Greif eine Grube entdeckt, in der Tausende von Büchern lagen. Man fand heraus, dass die Bücher durch einen Schacht aus dem Innenraum der Fabrikhalle in die Gruben befördert worden waren.
    Es waren dicke Bücher mit hartem, prächtigem Einband, die den Lauf der Zeit völlig unbeschadet überstanden hatten.
    Aber wie seltsam — die Seiten waren leer.
    Manche Menschen des Ortes behaupteten später, beim Öffnen einiger Seiten höre man Schreie.
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    Die Sonne dimmte bereits herunter, doch bis zur gänzlichen Dunkelheit würde es zu lange dauern. Es musste jetzt passieren.
    Ignaz küsste das sepiafarbene Lichtbild des kleinen Mädchens – als würde er ihr die Tränen wegküssen. Schnell steckte er alle Gegenstände zurück in die rote Blechschachtel, diese wollte er gerade in den ranzigen Kartoffelsack stecken, als sein Blick an einem haarigen Knäuel hängenblieb. Was war denn das?
    Unter einem schweren Mantel lugten – jetzt sah er es genauer gräuliche Tierhaare hervor. Eine Katze womöglich. Machten sie jetzt nicht einmal vor Haustieren halt? Vorsichtig entblätterte er das vermeintliche Tierchen von den Textilien. Eine Ziege lag da vor ihm. Zumindest die Haut, samt Fell, die zu einer praktischen Umhängetasche verarbeitet war. Bestens. Eine Transportziege für seine Heiligtümer. Seine Schreibschachtel wanderte in die Umhängeziege. Der Kartoffelsack hatte ausgedient. Die Tasche hing er sich quer über die Schulter. Perfekt. Beide Arme frei. Voller Bewegungsumfang.
    Er wollte ohne Handicap seinen letzten Lauf starten. Den Sprint ins Glück.
    Sein Finale.
    Gewann er, bedeutete sein Lorbeerkranz die Freiheit.
    Verlor er, war der Trostpreis der wahrscheinliche Tod.
    Sprinter ernährten sich eigentlich anders, sein Wasserhaushalt und die Nährstoffspeicher waren seit langem nicht mehr ausreichend gefüllt. Der Pott Honig hätte gestern bei einem Wettkampf geholfen, heute brachte der staubige Brotkanten die Beine nicht sonderlich in Fahrt. Schlimmer war, ausreichend getrunken hatte er schon länger nicht mehr. Das wenige Wasser aus dem Krug war schal gewesen. All das war nicht zu seinem Vorteil. Von der Startposition ganz zu schweigen. Hatte man Jesse Owens schon einmal aus einem Koffer starten sehen? Mit einer umgehängten Ziegenledertasche? Und nur einem Laufschuh ausgestattet?

    Von Wölfen und Bären
    Klaus Sauckel bohrte Heinrich Nusser den Lauf seines Gewehres immer wieder in die Flanke. Sie marschierten nach erfolgreicher Arbeit, sie hatten soeben drei Wanzen in einem Bücherregal ausgehoben und sie dem Treblinka-Transport übergeben, entspannt auf der Straße. Das harte Metall reizte die Rippen. Sauckel war besoffen, gespeist aus seinem illegalen Schnapsvorrat, den er seiner Feldflasche entnahm. Mit der Hand schlug Nusser das Rohr immer wieder zur Seite.
    »Sauckel,

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