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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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Marschtrommel. Knochen schieben sich in Knochen, Osteoporose tut ein Übriges. Ein etwas verspäteter Finalschlag zu »Countdown«. Frau Kowalski liegt im Beet wie ein lappriger Sack voll zerbrochener Knochen. Wie eine faltige Tüte Waffelbruch. Zerstörte Calciumstangen mit toter Haut ummantelt.
    Und weil dem armen Herrn Abel vor Schreck das Herz versagt und er ebenso das Zeitliche segnet, passt alles irgendwie zusammen. Auch hier trägt Coltranes »Countdown« – 3, 2, 1, Stillstand! – Früchte. Allerdings kann man August Locher das Ableben Herrn Abels nicht ans Revers heften. Kollateralschaden sozusagen.
    Das Leben ist ein Puzzle aus zufälligen Ereignissen. Die guten Ereignisse bleiben im Köpfchen, die schlechten zerfressen die Seele. Der Tod tanzt dabei um die Protagonisten herum und sammelt, was er kriegen kann. Ein Geschäftsmann ist er. Ein guter, der Tod. Lässt viele vom wirtschaftlichen Teil seines Jobs profitieren. Jemand stirbt. Es braucht einen Arzt, ein Bestattungsservice, mehrere Beförderungsmittel, Benzin, Steinmetz, Pfarrer und solches, bis der Verstorbene unter der Erde liegt. Der Leichenschmaus ist Tradition, und da kommen dann Metzger, Bäcker, Brauereien, Kaffee- und Porzellanhersteller, Gastronomie und und und auch noch auf ihre Kosten. Da sage noch einer, der Tod sei ungerecht. Aber das wollte Locher dann doch nicht. Das mit Herrn Abel. Selbst das bei diesem Racheakt sehr wahrscheinliche Lebensende von Frau Kowalski war Locher im Vorfeld nicht eine anzunehmende Selbstverständlichkeit. Aber davon wird seine Seele nicht zerfressen. Wüsste man es nicht sicher, man würde denken, er hat zu viel Tom und Jerry gesehen. Was bleibt? Jede Geschichte hat ihre Moral:
    »Überschütte deine Mitmenschen nicht mit Flüchen, Verleumdungen und hetzender Lärmbelästigung.«
    Über den Kalvarienberg zieht ein Schwärm Krähen vorüber, das sieht Locher noch, als er sich Richtung Kapelle und über einen Fußweg durch den Wald zu seinem Zuhause aufmacht. Er beneidet die Flugvögel samt ihrer Luftakrobatik. Ihre Flügelschläge klingen wie Applaus in seinen Ohren. Ihre Schnäbel schnattern: »Weiter! Weiter! August, weiter!«

    C – DAS BRETTERJÜNGLEIN
    Donnerstag, 13 Uhr 38
    Die orange-weiße Katze windet sich. Fast sieht es aus, als ob das Tierchen eine Kiesertrainingsübung für die gerade Rückenmuskulatur vollführt. Rundrücken, Durchbeugen, das abwechselnd. Der Nackengriff löst sich jedoch nicht vom buschigen Fell. Björn-Ben hat die kleine Katze, die bitterlich maunzt, wohl auf seinem Nachhauseweg eingefangen. Der Wolfsbalg steht nun auf der asphaltierten Auffahrt, etwa zwei Meter vom Basketballkorb entfernt.
    »Du liebes Pussykätzchen.« Er zieht das ängstliche Tier grob am Schwanz. »Du kleine Muschikatze.« Er reißt an den angelegten, zitternden Ohren.
    Mit opulenter Kommentatorenstimme tönt er: »Die Zuschauer hält es nicht mehr auf den Rängen. Die Uhr läuft ab, es sind nur noch wenige Sekunden zu spielen. Drei, zwei, eins…«
    Urplötzlich wirft Björn-Ben die quietschende Katze in Richtung des Basketballkorbs. Das kleine Tier schlägt auf dem Brett auf, prallt von dort ab und klammert sich mühevoll an den Metallring, durch den sie rutscht und mit verzweifelten Bewegungen das Netz zu greifen versucht. Nach einem kurzen Moment, in dem das Tier am Korb hängt, verliert es den Halt und knallt nach drei Meter freien Fall auf den Asphalt.
    Fauchend und humpelnd trollt sich das Kätzchen, nur weg vom lachenden Wolfsgeheul. Björn-Ben schreit der Katze hinterher: »Jetzt Fressi-Fressi. Kriegst auch was von meinem »Heiße-Hexe«-Burger, harharhar!«
    Locher flüstert: »Dir schick ich den geballten Zorn aller Grimm’schen Hexen!!!«
    Björn-Ben wird die Hamburger-Verpackung nicht zu sehen bekommen, ja, er wird nicht mal das Haus betreten.
    Locher verschanzt sich weiterhin hinter der Lärche. Er schmeckt Galle, wenn er dem Wolf-Buben zusieht. Der Mörder seines liebsten Freundes. Seines Kanarienmenschen.
    Der böse Wolf und die sieben Geißelungen.
    Vor Lochers geistigem Auge wachsen dem Buben spitze lange Ohren, die weißen Zähne in dem immer noch lachenden Mund werden zu gelben Reißern, seine Cordhose und das blaue T-Shirt mit der Aufschrift »Völkerball« weichen einem grauen, borstigen Pelz.
    Wolf junior stapft Richtung Garage.
    Plötzlich und vehement zerrt etwas ungemein schmerzhaft an Björn-Bens dürrem Nacken. Mit einigen geschickten Handgriffen drückt Locher den Wolf-Knaben

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