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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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entfernten, aber dennoch wohlgetarnten Position erkannte, dass der Hund seinen Vorgang starten wollte, betätigte er den Lauf der Pistole. Mit 1200 Atu bohrte sich ein Strahl aus Feuerwasser und Mini-Klingen in Rektum und Darminnenwand des Hundes. Ich nehme es vorweg: Auch das Skrotum wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Blut und Fellfetzen markieren den Fluchtweg des pavianesken Köters, dessen zukünftige Ausscheidevorgänge mittelfristig schmerzhaft sein werden. Falls der Hund überhaupt eine Zukunft hat.
    So ein Fall kann Tierschützer auf den Plan rufen. Aber Locher hat davor überhaupt keine Angst. Menschenrechtsschützer haben sich die letzten zwanzig Jahre auch nicht blicken lassen.
    Jede Geschichte hat seine Moral:
    »Verrichte dein Geschäft nie auf fremdem Land.«
    B – DAS RASENDE WEIBLEIN
    Donnerstag, 12 Uhr 42
    »If faflafa dif! If faflafa dif!«
    Gedämpft klingt das. Wie durch ein starkes Klebeband aus Plastik gesprochen. Das Gesicht, das zu der Stimme gehört, ist von Falten und Rissen durchzogen, die Augen sind wässrig. Angst spiegelt sich darin. Alte Angst.
    »If faflafa dif!«
    Der dünne, schwache Oberkörper versucht sich zu befreien. Aber da ist nichts zu machen. Wie hingeleimt, von Kopf bis Fuß, von Hand bis Brustkorb. Baba Jaga Kowalski sitzt fest in ihrem Rollstuhl.
    Locher führt sein Vorhaben in aller Ruhe aus, schließlich hat die Kowalski seit Jahren seine ihm zustehende Ruhe gestört. Und nicht nur das.
    Hilbert oder Gilbert oder wie der verdammte Zivi heißt, liegt bewusstlos, die Hände mit den eigenen Dreadlocks am Rücken geknebelt, auf dem Linoleumboden in der Küche. Es war für Locher ein Leichtes, den jungen Mann zu überwältigen. Der war sehr erschrocken, Gegenwehr gleich null. Und dem Geruch nach völlig zugekifft.
    Eine müde Person, den Körperaufmerksamkeitszustand aufs Minimum herabgefahren. Aber was will man erwarten: Ein Zivildienstleistender ist ein Zivildienstleistender, weil er einst den Kriegsdienst verweigerte. Vielleicht liegt darin die pazifistische Haltung begründet. Von Pazifismus ist bei Locher nichts zu spüren. Ein bisschen tut ihm der Zivi aber doch leid. Zur falschen Zeit am falschen Ort.
    Jeder Handgriff sitzt, Locher hat alles genau durchdacht, analytische Kampfpläne geschmiedet. Perfektionistisch und mit Akribie, genauso wie er viele Jahre seine Arbeit in der Buchbinderei durchgeführt hat, vollzieht er auch hier seine Handlung.
    Er fährt mit der sich immer noch verbal aufbäumenden Alten durch die Wohnung in die Garage. Mitgefühl zeigt Locher nicht. Das hat sich bei Locher verflüchtigt. In Luft aufgelöst.
    Sein rollendes Paket fährt er über eine metallene Rampe in den Kofferraum eines hellblauen Mercedes, der zu Frau Kowalskis Eigentum zählt. Sicherlich, die Frage ist gestattet: Was macht eine querschnittsgelähmte Frau mit einem motorisierten Vehikel? Aber der Mercedes ist ein Van, das Modell ein Vito 108D und dessen Kofferraum eine Ladefläche, auf der der Rollstuhl der Kowalski bei Bedarf samt Kowalski transportiert wird. Wenn Sie nun richtigerweise anmerken, dass solch Fahrzeuge die sozialen Pflegeeinrichtungen stellen, muss ich Ihnen sagen, dass Herr Jägermeister Kowalski diesen Wagen schon zu Lebzeiten zum Transport von erlegtem Wild und erlahmter Hexe benützt hat. Nun chauffiert eben Locher Frau Kowalski mit ihrem eigenen Gefährt. Locher kann eigentlich nicht Auto fahren. Wir wissen, er ist leidenschaftlicher Pedalsportbetreiber. Hin und wieder hat Locher in der Druckerei den Gabelstapler bedient, ist kurze Strecken gefahren, um die »Bestiarien von Freyung« über weite Strecken zu transportieren. Allerdings natürlich nur, wenn Panzer nicht da war. Somit ist ihm das Prinzip von Getriebefahrzeugen geläufig, und da der Vito eine Automatikschaltung hat, lässt Locher abenteuerlustig den Motor an. Die Fahrt beginnt und dauert nicht lange. Nur einige wenige, aufgrund von Lochers fehlender Praxis dann doch ein wenig wacklige Kurven den Kalvarienberg hoch. Oben am Kalvarienberg ist ein kleiner Parkplatz, von dem aus man mittels eines kurzen Fußmarsches zu einer Kapelle kommt, welche bei Pilgern und Gläubigen beliebt ist und den Namen Marienkapelle trägt.
    Lustig, weil ja Frau Kowalski mit Vornamen auch Maria heißt, aber die beiden Marias werden sich nicht treffen. Nicht heute.
    Locher fährt stangengerade auf den Parkplatz, bremst und stoppt den Motor. Diese Fahrt hätte für das Bestehen der Führerscheinprüfung gereicht.

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