Grimpow Das Geheimnis der Weisen
unter Beschimpfungen, Buhrufen und Pfiffen zu Fuß oder auf der Trage verließ. Salietti hatte bei der Vorausscheidung gut abgeschnitten und durch seinen gekonnten Umgang mit Pferd und Lanze die Gunst zahlreicher Zuschauer gewonnen, aber niemand vermochte die Menge so in Raserei zu versetzen wie Valdigor de Rovol. Die Herolde riefen sie beide als die besten Ritter der Vorrunden aus und schließlich kam der lang erwartete Augenblick des letzten Turnierkampfes.
Saliettis Pferd war von den heftigen Zusammenstößen der vorangehenden Duelle völlig erschöpft, sodass sie es im letzten Moment gegen Astro austauschten. Grimpow warf dem Schimmel gerade die Schabracke mit dem Wappen des Herzogs von Estaglia über, als die Herolde schon mit lauter Stimme den letzten Kampf des Turniers ankündigten.
»Glaubst du, Burumar de Gostelle erkennt Astro? Immerhin hat er das Pferd damals persönlich zur Abtei Brinkum geführt?«, fragte Grimpow bang.
»Unter dem festlichen Überwurf, der sogar Astros Kopf verdeckt, würdest noch nicht einmal du ihn wiedererkennen«, beschwichtigte ihn Salietti. Er hatte gerade ganz andere Sorgen, da er nicht nur Valdigor de Rovol ausstechen und als Sieger aus dem Turnier hervorgehen, sondern vor allem Weynelle aus den schmutzigen Klauen des Barons befreien wollte. Allerdings verlor er kein Wort darüber, um Grimpow nicht zu beunruhigen.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, aber gestern Abend bin ich dem Ritter begegnet, den du beim ersten Zweikampf besiegt hast. Du weißt schon, der junge Kerl, von dem niemand wusste, wer er ist, weil er immer nur mit geschlossenem Helm zu sehen war. Er heißt Pelin de Langfort und ist der Sohn des Herzogs von Langfort. Er war Novize in der Abtei Brinkum, von wo er wenige Wochen vor deiner Ankunft ausgerissen ist«, erklärte Grimpow.
Salietti nahm seinen Sattel und legte ihn auf Astros Rücken. »Was ist denn nun mit diesem Novizen, Ritter oder was er auch sein mag?«, fragte er ungeduldig.
»Naja, er war auch in der Abtei, als Burumar de Gostelle den Abt ermordet hat«, sagte der Knappe mit gedämpfter Stimme. »Als Pelin den Inquisitor hier entdeckt hat, da hat er sich ihm vorgestellt, und der Dominikaner hat ihn über die Mönche regelrecht ausgefragt, insbesondere über Bruder Rinaldo. Inzwischen hat der Ritter Burumar de Gostelle vielleicht sogar schon erzählt, dass ich damals auch in der Abtei gewesen bin und der alte Bibliothekar mich unterrichtet hat.«
»Warum fällt dir das gerade jetzt ein?«, fragte Salietti, ohne Grimpows Befürchtungen allzu ernst zu nehmen.
»Weil ich Pelin de Langfort gerade mit dem Inquisitor von Lyon auf der Tribüne sprechen sehe. Sie haben eben zu uns herübergestarrt wie zwei Luchse, die ihre Beute beobachten.«
Salietti drehte sich zur Tribüne um und beobachtete den jungen Ritter und den Abgesandten des Papstes eine Weile. »Im Moment können wir nichts tun«, sagte er, ohne sich seine Furcht anmerken zu lassen.
Falls der Dominikaner sie verdächtigte, so überlegte Salietti, dann wartete eine weitere Aufgabe auf ihn, nämlich Grimpow und sich selbst vor den glühenden Eisen des Inquisitors zu retten. Doch sosehr er auch darüber nachdachte, er hatte keine Ahnung, wie ihm diese Heldentat gelingen sollte.
»Ich wünsche dir, dass du das Turnier gewinnst, ganz gleich, was danach passiert«, sagte Grimpow warmherzig.
»Ich will mir alle Mühe geben, mein lieber Freund. Ich tue es für dich und für Weynelle, und wenn es das Letzte sein sollte, was ich in diesem Leben zu vollbringen habe. Nun hilf mir auf Astro und übernimm deine Pflichten als Schildknappe«, befahl er und zerzauste Grimpow mit der eisernen Hand das Haar.
Ein Herold des Barons rief die letzten Herausforderer des Turniers auf, indem er weihevoll jede einzelne Silbe ihrer Namen und Adelstitel betonte. Darauf ritten die beiden Kontrahenten, siegesgewiss und von Fanfaren und Trommelwirbeln begleitet, auf das Feld. Die Menschenmenge johlte vor Begeisterung und untermalte mit rhythmischem Klatschen jeden Schritt der Pferde, während die beiden Ritter eine Ehrenrunde um den Turnierplatz drehten und vor Fenio de Vokko ihre Stechlanzen senkten. Nur mir Mühe vermochte die junge Weynelle die Tränen zurückzuhalten, als sie den Mann auf die Tribüne zukommen sah, der ihr versprochen hatte, sie aus ihrer Gefangenschaft zu befreien.
Sobald die Ritter einander gegenüberstanden, verstummte der Lärm, und es wurde so still, dass zwischen dem
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