Grimpow Das Geheimnis der Weisen
metallischen Klappern der Rüstungen das Keuchen der Pferde zu hören war. Die Tiere schnaubten unruhig und wirbelten beim Scharren mit den Hufen Staubwolken auf, während sie darauf warteten, dass ihre Reiter sie in gestrecktem Galopp lospreschen ließen.
Ritter Salietti de Estaglia ließ sein Pferd steigen, und als Astro wieder auf allen vieren stand und ein langes Wiehern ausgestoßen hatte, gab er ihm kräftig die Sporen und stürmte auf seinen Rivalen zu, der ihm seinerseits wütend entgegenraste. Aller Augen fixierten die Mitte des Kampfplatzes und erwarteten den brutalen Aufprall der Stechlanzen auf den Schilden der Ritter. Valdigor de Rovol hielt seine Lanze fest auf das Ziel gerichtet, doch als er Saliettis Schild traf, ging sie mit einem lauten Krachen entzwei, wie ein vom Blitz gespaltener Baum. Grimpow, Weynelle und Guival schlossen gleichzeitig die Augen, wo sie gerade standen oder saßen, weil sie Saliettis Niederlage fürchteten. Doch offenbar hatte ihm der heftige Stoß nichts anhaben können, denn er saß immer noch aufrecht im Sattel, die unversehrte Lanze gerade vor sich ausgestreckt.
Die beiden Herausforderer ritten rasch zum Ausgangspunkt ihres Zweikampfes zurück und machten eine knappe Kehrtwende. Valdigor de Rovols Knappe reichte seinem Herrn eine neue Lanze, die er hastig ergriff, um seinem Pferd erneut verbissen die Sporen zu geben. Wieder prallten die Ritter mit Gewalt aufeinander, und diesmal traf Salietti seinen Widersacher und errang einen glatten Sieg über Valdigor de Rovol, der aus dem Sattel stürzte und scheppernd wie hundert zerschlagene Töpfe zu Boden ging.
Für einen Moment war die Menge schier außer sich. Auch Grimpow hüpfte und vollführte Freudensprünge, doch dann sah er, dass Valdigor de Rovol, wenngleich übel zugerichtet, wieder auf die Füße kam und wutschnaubend sein Schwert aus der Scheide zog. Die gespannte Erwartung ließ die Kehlen der aufgewühlten Menge verstummen und es entstand tiefstes Schweigen. Salietti stieg ab, zückte ebenfalls sein Schwert und führte mit der Rechten ein paar kräftige Schläge gegen Valdigor de Rovol aus, während dieser sich rasend wie ein verwundetes Tier wehrte.
Obwohl die Kontrahenten reichlich entkräftet waren und die Waffen längst schweigen sollten, trugen sie einen langen, erbitterten Schwertkampf aus. Inzwischen waren sie beide verwundet, dennoch stießen sie ein ums andere Mal zu, um den entscheidenden Streich zu führen, ohne dass es dem einen oder anderen jedoch gelang, seinen Gegner zu töten. Ein jeder ließ sich immer wieder mit unvermuteter Heftigkeit vom Gegner zurückschlagen, bis Salietti mit seinem Schwert Athene weit ausholte und es mit solcher Wucht auf Valdigor de Rovol niedergehen ließ, dass dessen Waffe in der Mitte entzweibrach und der Ritter in sich zusammensackte wie eine Marionette, bei der jemand die Fäden durchtrennt hatte.
Die Edelleute, Bürger und Bauern, die den Kampfplatz füllten, empfanden die Niederlage ihres Helden wie ihre eigene. Niemand gab einen Laut von sich, allein Grimpow jubelte vor Freude. Er sprang über den Palisadenzaun auf das Feld und lief zu Astro, der seelenruhig den Boden des Kampfplatzes beschnupperte. Der Knappe streichelte den Schimmel und redete so leise mit ihm, dass niemand es hörte. Als er Salietti die Zügel übergab, bemerkte er, dass dem Ritter Blut über die Hände rann.
»Bist du verletzt?«, fragte er, wie es seine Aufgabe als Schildknappe war.
»Schon gut, mein Freund, schon gut«, antwortete Salietti erschöpft.
Der Ritter steckte sein Schwert zurück in die Scheide und näherte sich der Tribüne, wo Fenio de Vokko und der Inquisitor und Abgesandte des Papstes den Vorsitz führten.
Ein weiteres Mal breitete sich angespanntes Schweigen über das Turnierfeld, denn jetzt warteten alle wie gebannt, wen der Sieger zur Königin des Turniers krönen würde. Jahr für Jahr wurde die Auserwählte tagelang mit Geschenken überhäuft wie eine Göttin und die Menschen wünschten ihre Wahl ebenso sehnsüchtig herbei wie die Weizenernte in Zeiten der Hungersnot.
»Als Sieger des Turniers gebührt Euch, Ritter Salietti de Estaglia, die Ehre, die Königin der Frühjahrsfestspiele zu erwählen!«, verkündete der Baron feierlich.
Im selben Moment erschollen die Fanfaren und die Menge jubelte, doch bei den darauffolgenden Trommelwirbeln kehrte wieder gespannte Stille ein.
»Nennt den Namen der Dame Eurer Wahl und bringt sie auf die Tribüne, damit wir sie zur
Weitere Kostenlose Bücher