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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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verfolgt, ich werde ihm persönlich die Gurgel durchschneiden!«

Endlich die Wahrheit

    I n gestrecktem Galopp verließen sie das Feld und fragten sich insgeheim, wer den Pfeil abgeschossen haben mochte. Als sie unweit der Festung auf einer steinernen Brücke einen tosenden Fluss überquerten, zügelte Salietti sein Pferd und dirigierte es bis an den äußersten Rand. Da Grimpow und Weynelle die Absicht des Ritters erahnten, gesellten sie sich zu ihm.
    »Was habt Ihr vor?«, stammelte Burumar de Gostelle zitternd. Die Angst stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
    »Ich hoffe, Ihr könnt schwimmen!«, erwiderte Salietti und versetzte dem Dominikaner einen Schubs, als entledigte er sich eines Sacks mit Unrat.
    »Lasst uns weiterreiten, ehe die Soldaten des Barons uns einholen!«, mahnte Grimpow.
    Indessen strampelte der Abgesandte des Papstes im Wasser und schlug mit den Händen in die Luft, um zu verhindern, dass ihn die Strömung mitriss.
    Sie wandten sich ab und galoppierten direkt am Flussufer entlang, um auf ihrer Flucht keine Spuren zu hinterlassen.
    Als die drei Reiter sich Straßburg näherten, dunkelte es bereits. Die Abenddämmerung hatte den Horizont in rote Flammen getaucht und über dem Rhein hingen graue Nebelschwa den wie der Dampf über einer heißen Suppe. In einer Flussbiegung machten sie halt und saßen ab. Weynelle setzte sich ins feuchte Ufergras, schlug stumm die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich über den Tod ihres Vaters.
    Salietti trat zu ihr, zog sie auf die Füße und schlang zärtlich die Arme um sie.
    »Dein Vater war ein sehr guter Freund meines Vaters, sie haben beide auf der Suche nach der Weisheit ihr Leben gelassen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Als du noch ein kleines Mädchen warst, habe ich mehrere Jahre bei euch in Paris gelebt. Geduldig habe ich deine Kinderstreiche ertragen, während ich in einer Kammer unterm Dach studierte. Ich kann mich gut an euer Haus erinnern, das voller alter Bücher war, und an die Nächte, als ich mit deinem Vater in Paris den Sternenhimmel beobachtete. Du weißt das sicher alles nicht mehr, weil du damals noch sehr klein warst, aber dein Vater sagte immer zu mir: >In den Sternen liegt Magie und Vollmondnächte üben Zauber aus. Sieh sie dir an, dann offenbaren sie dir deine Träume.<«
    Weynelle wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides über die Augen, dann sah sie Salietti an. »Diese Worte hat er auch jeden Abend beim Zubettgehen zu mir gesagt«, erwiderte sie mit einem zaghaften Lächeln, das ihre Miene wieder aufhellte. »Deshalb wusste ich auch sofort, dass mir jemand helfen wollte, der ihm sehr nahe gestanden hatte, als ich deine Botschaft erhielt. Mir kam sogar der Gedanke, dass er noch am Leben sein und sie selbst verfasst haben könnte. Aber ich wäre nie darauf gekommen, dass ausgerechnet ein Freund aus Kindertagen, dessen Namen ich noch dazu tatsächlich vergessen habe, mich retten würde«, sagte sie gerührt. Sie schluchzte auf und warf sich abermals in Saliettis Arme.
    Grimpow spürte, wie auch ihm die Tränen über die Wangen liefen. »Einer von euch wird mir das Wirrwarr mal genauer erklären müssen«, sagte er und gab einen Stoßseufzer von sich.
    »Ich habe dir ja gesagt, dass es eine lange und verworrene Geschichte ist«, erwiderte Salietti. »Am besten wir setzen uns dort auf die Steine und ich erzähle sie euch jetzt gleich. Wahrscheinlich brennt ihr beide darauf, sie zu hören, und ich will euch nicht warten lassen, bis die Nacht hereinbricht.«
    Sie blieben am Flussufer auf den moosbedeckten Steinen unter den hohen Ulmen sitzen, bis die schwarzen Schleier der Nacht sie einhüllten.
    »Mein Vater hieß Iacopo de Estaglia, wie auch mein Großvater«, begann Salietti, während Weynelle und Grimpow ihn erwartungsvoll ansahen. »Er wollte meinen Vater immer zu einem furchtlosen Ritter und damit zu einem würdigen Erben für sein heruntergewirtschaftetes Herzogtum erziehen. Nach dem Wunsch meines Großvaters sollte mein Vater Estaglia seinen früheren Glanz zurückgeben. Doch von Kindheit an verspürte mein Vater eine Berufung zum Studieren und tat sich schon bald durch seine Kenntnisse in allen Wissensgebieten hervor, von der Arithmetik über die Philosophie bis zur Physik und Astronomie. Als er fünfzehn Jahre alt war, zog er gegen den Willen meines Großvaters nach Padua, um dort an der neu gegründeten Universität zu studieren, die sich abseits des päpstlichen Einflusses großer akademischer Freiheit erfreute.

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