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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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bodenlose Abgründe auftaten, und gingen zu Fuß durch enge, unergründliche Schluchten, wobei sie ihre Reittiere am Zügel hinter sich herzogen. Schließlich hatten sie die hohen Berggipfel passiert und am Ende einer tiefen Schlucht tauchte auf einer weiten Ebene die von einer Stadtmauer umschlossene Stadt Ullense auf.
    Die Sonne war noch nicht untergegangen, als sie das Stadttor erreichten. Mehrere Heuwagen überquerten die befestigte Brücke, ohne dass die auf dem kleinen Wachtturm postierten Soldaten ihnen den Eintritt verwehrten. Auch sie selbst fragte niemand, wo sie hinwollten und woher sie kamen. Dennoch hatte ihnen der Abt von Brinkum auf Bruder Rinaldos Vorschlag hin einen an den Bischof von Straßburg gerichteten Geleitbrief mitgegeben. Dieser gestattete ihnen, jede Stadt oder Burg, in der sie Quartier benötigten, ohne Weiteres zu betreten und wieder zu verlassen.
    Die Straßen von Ullense waren um diese Abendstunde wie leergefegt. Nur vom Marktplatz her war Geschrei zu hören. Der Ritter schrieb dies den Händlern zu, die hinter klapprigen Verkaufsständen lauthals ihre Waren anpriesen.
    Das dachte Grimpow zuerst auch, aber sein Entsetzen steigerte sich fast zum Wahnsinn, als sie den Platz betraten und er seinen Freund Durlib wie eine Vogelscheuche am Galgen hängen sah.
    Die davor versammelte Menschenmenge lachte hysterisch und johlte vor Aufregung, dem Spektakel einer öffentlichen Hinrichtung beizuwohnen. Durlibs halb nackter, blutüberströmter Körper baumelte hin und her wie ein Pendel, seine noch offenen Augen waren aus den Höhlen getreten, und die Zunge hing ihm aus dem Mund, als wollte er sich über seine Henker lustig machen. Grimpow schloss die Augen und zügelte sein Grauen, indem er die Hände zu Fäusten ballte, bis sich seine Fingernägel in die Handflächen bohrten.
    »Hast du den Mann gekannt?«, fragte ihn Salietti, verblüfft über das Verhalten seines Knappen.
    Mit großer Mühe konnte ihm Grimpow verständlich machen, dass es sich bei diesem armen Teufel um Durlib handelte, der für ihn wie ein Vater gewesen war, bevor die Abtei Brinkum ihn aufgenommen hatte.
    »Lass uns weiterziehen, wir können ja doch nichts mehr für ihn tun«, erwiderte der Ritter betroffen.
    Der Junge konnte sich nicht rühren, auch wenn er am liebsten nach Saliettis Schwert gegriffen, seinem Pferd die Sporen gegeben hätte und auf die Menschenmenge losgestürmt wäre, die noch immer johlte und lachte.
    »Komm, Grimpow, ich glaube, du musst mir noch eine Menge erzählen«, sagte der Ritter und zog an Astros Zügeln.
    Sie verließen den Platz durch eine niedrige, überwölbte Gasse und kamen an den Ruinen einer alten Kirche vorbei. Weiter vorn, in einem engen Sträßchen mit kleinen Fachwerkhäusern, fanden sie eine offene Schenke, in der eine schlanke, mit Pockennarben übersäte Frau auf einem schmuddeligen Schanktisch Tonkrüge säuberte. Salietti stieg vom Pferd und bat Grimpow, es ihm gleichzutun. Dann griff er nach Astros Zügeln und band den Schimmel mit seinem eigenen Pferd und dem mit der Rüstung bepackten Maulesel an einen Eisenring neben der Tür.
    Die Frau beäugte die beiden misstrauisch. Sie wischte sich die Hände an einem Tuch ab und fragte, wie es komme, dass sie nicht auf dem Platz seien und der Hinrichtung beiwohnten.
    »Die ganze Stadt ist dort versammelt und flattert um die Leiche herum wie die Raben um das Aas«, sagte sie. »Andere sterben zu sehen, finden sie lustig und vergessen dabei, dass auch für sie einmal die Stunde kommen wird, vor dem Himmel Rechenschaft abzulegen«, fügte sie mit näselnder Stimme hinzu.
    Salietti bedeutete Grimpow, sich an einen Tisch am Fenster zu setzen, und bestellte einen Schnaps. Dann sagte er: »Was hat dieser Mann getan, dass seine Hinrichtung solches Aufsehen erregt?«
    Die Frau wirkte über Saliettis Neugier erfreut. »Soweit ich weiß, hat er sich mehrere Abende hintereinander betrunken und überall damit geprahlt, er besitze den Schatz eines rätselhaften Edelmannes, den er in der Nähe der Abtei Brinkum tot in den Bergen aufgefunden habe. Als die Soldaten des Grafen ihn festnehmen wollten, zog er sein Schwert und hieb dem einen das Ohr und dem anderen den Arm ab. Den dritten tötete er einfach.« Sie machte eine Pause und seufzte. »Er ist vor einigen Monaten in Ullense aufgetaucht und hat mit Silbermünzen um sich geworfen, die von diesen Teufelsanbetern geprägt waren, die man Templer nennt. Manche halten ihn für einen Dieb und sind der

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