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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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sein ungewöhnliches Leuchten erahnt und es trotz seiner Blindheit gesehen«, erklärte er.
    »Vielleicht war es schlicht eine Eingebung oder Empfindsamkeit, die er sich im Laufe so vieler Jahre der Blindheit in der tiefen Dunkelheit seiner Gedanken angeeignet hat. Viele Blinde entwickeln mit der Zeit ein so feines Gehör, dass sie sogar aus großer Entfernung eine Katze schleichen hören können.«
    »Ich glaube, es war mehr als das. Mittlerweile würde ich sogar fast schwören, dass Bruder Umberto einer der Weisen gewesen ist, die einst das Geheimnis des lapis philosophorum gehütet haben.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Salietti und betrachtete mit lebhaftem Interesse das rötliche Funkeln des Steins, den Grimpow unter dem unendlichen Sternenhimmel in der Hand hielt.
    »Als ich mit ihm gesprochen habe, hat er Dinge gesagt, denen ich damals keine Bedeutung beigemessen habe, die jedoch nur ein Weiser des Ouroboros-Geheimbundes wissen kann.«
    »Dieser Geheimbund ist so alt, dass es ihn womöglich gar nicht mehr gibt«, gab Salietti zu bedenken und gähnte vor Müdigkeit.
    »Etwas sagt mir, dass diese Weisen noch irgendwo sind und dass Bruder Umberto viel mit ihnen zu tun hatte.«
    »Als ich klein war, hat mein Vater mir oft von ihm erzählt«, erwiderte Salietti versonnen. »Sie haben sich an der Universität von Padua kennengelernt, wo Bruder Umberto Philosophie und Astronomie gelehrt und revolutionäre Thesen über die Unendlichkeit des Universums vertreten hat. Manche davon haben sogar der aristotelischen Sphärentheorie und dem Geozentrismus des Ptolemäus widersprochen. Der Mönch aus Alessandria, wie mein Vater ihn immer nannte, behauptete, die Erde sei rund und alle Planeten drehten sich um die Sonne. Das brachte ihm im Schoß der Kirche nicht wenige Feinde ein, denn diese wollte unbedingt daran festhalten, dass die Erde das Zentrum des Universums ist und alle Planeten um sie kreisen. Bruder Umberto hielt sich viele Jahre in Spanien auf, wo er Könige und Prinzen unterrichtete, er lebte in Paris als Universitätsdozent und ging schließlich nach London, wo er gut fünfzig Bücher über alle Wissensgebiete verfasste. Er bereiste auch Asien und Afrika und beherrschte sämtliche Sprachen und Schriften dieser exotischen Länder. Einmal wäre er beinahe von einem Stamm Wilder gevierteilt worden. Zweifellos hielten ihn alle für einen großen Weisen, bis er mit sechzig Jahren von der Heiligen Inquisition der Ketzerei bezichtigt, nach Rom gebracht und vor Gericht gestellt wurde. Wenn er seine Ideen nicht rechtzeitig widerrufen hätte, wäre er ohne jeden Zweifel lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, genau wie tote Sünder bis in alle Ewigkeit in der Hölle brennen. Gedemütigt und erschöpft flüchtete er sich in die Abtei Brinkum. Seither ist sein Name völlig in Vergessenheit geraten«, schloss Salietti mit einem Seufzer.
    Kaum hatte der Herzog geendet, da durchfuhr es Grimpow, und er saß plötzlich kerzengerade auf dem harten Boden der Einöde. »Natürlich!«, rief er. »Jetzt sehe ich es deutlich vor mir.«
    Sein verblüffter Begleiter richtete sich ebenfalls auf und sah Grimpow eindringlich in die Augen. »Du hast doch nicht etwa auch Wahnvorstellungen?«, fragte er verwirrt.
    »Verstehst du denn nicht? Bruder Umberto hatte viele Jahre genau diesen Stein in der Hand. Er hatte den Auftrag, ihn und das goldene Petschaft des Geheimbundes mit dem Zeichen des Ouroboros zu hüten. Als der Zeitpunkt gekommen war, ihn an seinen Schüler weiterzugeben, den neuen Hüter des Geheimnisses, da weigerte er sich. Das hat er mir in der Krankenstube der Abtei selbst erzählt, ohne dass ich begriffen hätte, was er meinte. Er ist der Versuchung erlegen, sich mit Reichtum zu umgeben und Unsterblichkeit zu erlangen. Damit hat er die Grundsätze und Überzeugungen verraten, die er vorher so genau befolgt hatte. Später bereute er sein Verhalten und gab den Stein in den geheimen Kreislauf zurück. Dennoch wollte er in seinem Laboratorium einen Stein wie diesen herstellen, obwohl er wusste, dass es nicht mehr möglich war. Deshalb hat er zu mir gesagt, der Stein könne mich das Leben kosten, so wie er ihm den Blick und den Verstand getrübt hat.«
    »Hat Bruder Umberto vielleicht denselben Fluch gemeint, von dem uns der alte Einsiedler heute Vormittag erzählt hat?«, wandte Salietti ein.
    »Das habe ich mich auch schon gefragt. Seit ich den Stein gefunden habe, ist um mich herum lauter Unglück geschehen.«

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