Grimwood, Ken - Replay
während die Tränen unbeachtet über ihre Wangen rannen. »Er meinte, es wäre Starsea gewesen, was… seinem ›Leben ein Ziel‹ gegeben hätte. Mit allem, was ich durch den Film erreichen wollte, habe ich am Ende nichts weiter getan, als einen Massenmörder zu ermutigen!«
Jeff behielt seine Hände fest am Lenkrad des gemieteten Plymouth, während er die vereiste Straße entlangfuhr. »Es war nicht bloß der Film. Er hatte viel früher mit dem Morden angefangen, bei der allerersten Wiederholung. Zunächst einmal war er verrückt; ich weiß nicht, ob es dieser Unfall war, den er hatte, oder der Schock des Wiederholens oder eine Kombination von beidem. Vielleicht eine Menge anderer Faktoren; das läßt sich unmöglich sagen. Aber gib dir um Himmels willen nicht die Schuld an dem, was er getan hat.«
»Er hat ein kleines Mädchen getötet! Er tötet es weiter, ersticht es, jedesmal!«
»Ich weiß. Aber es ist nicht deine Schuld, verstehst du?«
»Es ist mir egal, wessen Schuld es ist. Wir müssen ihn aufhalten.«
»Wie?« fragte Jeff und blinzelte, um die Straße durch die Schneemassen hindurch auszumachen.
»Dafür sorgen, daß er diesmal nicht wieder rauskommt. Ihn nächstes Mal aufsuchen, bevor er mit dem Morden anfängt.«
»Wenn man ihn für ›geheilt‹ erklärt, wird man ihn freilassen, ganz gleich, was wir sagen. Warum sollten die Ärzte oder die Gerichte auf uns hören? Sollen wir ihnen erzählen, wir wären Wiederholer, genau wie McCowan, aber wir wären gesund und er nicht? Du weißt, wohin uns das bringen würde.«
»Dann beim nächstenmal…«
»Wir gehen zur Polizei in Seattle oder Tacoma und sagen ihnen, dieser ehrbare Bürger mit seinem teuren Vorstadthaus und seiner Yacht wird demnächst umherstreifen und wahllos Menschen ermorden. Es würde nicht funktionieren, Pamela; du weißt, daß es das nicht tun würde.«
»Aber wir müssen irgend etwas tun!« flehte sie.
»Was sollen wir tun? Ihn töten? Ich könnte das nicht; und du auch nicht.«
Sie weinte leise, die Augen vor dem blendenden Weiß des Schneesturms geschlossen. »Wir können uns nicht einfach zurücklehnen und es geschehen lassen«, flüsterte sie schließlich.
Jeff bog vorsichtig nach links auf den Highway ab, der zurück nach Madison führte. »Ich fürchte, das müssen wir«, sagte er. »Wir müssen uns einfach damit abfinden.«
»Wie kannst du dich mit so etwas abfinden!« erwiderte sie heftig. »Daß unschuldige Menschen sterben, von diesem Wahnsinnigen ermordet werden, wo wir im voraus wissen, daß er es tun wird!«
»Wir haben uns schon immer damit abgefunden, von Anfang an: Manson, Berkowitz, Gacey, Buono und Bianchi… diese Art von zielloser Barbarei ist ein Teil dieses Zeitalters. Wir haben uns daran gewöhnt. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an die Hälfte der Namen der Massenmörder, die in den nächsten zwanzig Jahren auftauchen werden, oder etwa du?«
Pamela schwieg, die Augen rot vom Weinen, die Zähne fest zusammengepreßt.
»Wir haben bei all diesen anderen Morden nicht zu intervenieren versucht, oder?« fragte Jeff. »Wir sind nicht einmal auf diesen Gedanken gekommen, abgesehen von diesem ersten Mal, als ich Kennedys Ermordung aufzuhalten versuchte, und das war eine ganz andere Kategorie. Wir – nicht nur du und ich, sondern jeder in dieser Gesellschaft – wir leben mit der Brutalität, mit dem willkürlichen Tod. Wir ignorieren das nahezu, außer wenn es uns unmittelbar zu bedrohen scheint. Schlimmer noch, manche Leute finden es sogar unterhaltsam, ein Kitzel aus zweiter Hand. Das sind die achtzig Prozent, um die es sich im Nachrichtengeschäft vor allem dreht: Amerika mit seinem täglichen Schuß Tragödie zu versorgen, aus anderer Menschen Blut und Qual.
Wir sind die Antareaner aus Stuart McCowans Wahnsinnsphantasien. Er und all die anderen unmenschlichen Schlächter dort draußen sind tatsächlich Darsteller auf einer Bühne, aber das blutgeile Publikum befindet sich unmittelbar hier, nicht irgendwo im Weltraum. Und es gibt nichts, was du oder ich jemals tun könnten, um etwas daran zu ändern oder um auch nur den kleinsten Spritzer dieser Blutwoge aufzuhalten. Wir tun bloß, was wir immer getan haben und immer tun werden: es akzeptieren, aus unserem Bewußtsein verdrängen, so gut wir können, und unser Leben weiterleben. Find dich damit ab, wie wir es auch mit all dem anderen hoffnungslosen, unausweichlichen Leiden tun.«
Die Anzeige erbrachte weiter Antworten, wenn auch keine davon
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