Grimwood, Ken - Replay
Schoß, im Schneidersitz auf die übergroße Ottomane neben dem Schreibtisch.
»Ausgezeichnet. Ich habe hier eine Menge, mit dem sich arbeiten läßt, und es ist alles so gut, daß ich nicht einmal weiß, wo ich mit dem Kürzen oder Umschreiben anfangen soll.«
»Besser als das Zeug, das du von Thieu bekommen hast?«
»Viel besser«, sagte er zwischen zwei Bissen von der unwahrscheinlich köstlichen Limonelle. »Im Thieu-Material sind genug gute Stellen, die es wert sind, aufgenommen zu werden, aber dies hier wird einmal das Rückgrat des Buches bilden. Es macht mich richtig kribbelig.«
Aus gutem Grund, wußte Jeff; dieses neue Projekt war in seinem Geist herangewachsen, seit er das erste Buch zu schreiben begonnen hatte, das über Heyerdahl und die mondumkreisenden Astronauten. Als es vor zwei Jahren, 1973, erschienen war, hatte es bei der Kritik und in finanzieller Hinsicht mäßigen Erfolg gehabt. Er hatte das sichere Gefühl, daß dieses Buch, für das die Recherchen inzwischen fast abgeschlossen waren, die besten Abschnitte seines früheren Werks noch übertreffen würde.
Diesmal konnte er über aufgezwungenes Exil schreiben, über die Trennung von zu Hause, der Heimat und den eigenen Gefährten. In diesem Thema, fühlte er, konnte er einen Kern universalen Mitgefühls entdecken und vermitteln, einen Funken Verständnis, der dem metaphorischen Exil entstammte, dem wir alle unterworfen sind, und das Jeff besser begriff als jeder andere vor ihm: unser gemeinsames und unentrinnbares Ausgeschlossensein von den Jahren, die wir durchlebt und hinter uns gebracht haben, von den Menschen, die wir einmal waren und kannten und für immer verloren haben.
Die ausführlichen Betrachtungen, die Jeff Solschenizyn entlockt hatte – über sein Exil, nicht über den Gulag – waren, wie er es Linda gesagt hatte, zweifellos die tiefsinnigsten aller Beobachtungen, die er bislang zusammengetragen hatte. Das Buch würde ebenfalls Material aus seinem Briefwechsel mit dem abgesetzten kambodschanischen Prinzen Sihanouk enthalten, außerdem seine Interviews in Madrid und Buenos Aires mit Juan Peron, ebenso wie Reflektionen Nguyen Van Thieus, die er nach dem Fall von Saigon aufgezeichnet hatte. Jeff hatte sogar mit Ayatollah Khomeini in seiner Zuflucht außerhalb von Paris gesprochen. Um sicherzustellen, daß das Buch eine ganz und gar demokratische Tendenz bekam, hatte er Kommentare von Dutzenden gewöhnlicher politischer Flüchtlinge erbeten, Männer und Frauen, die vor rechten wie auch linken diktatorischen Regimes geflohen waren.
Die Notizen und Tonbänder, die er angehäuft hatte, quollen über von eindrücklichen, tief bewegenden Erzählungen und Gefühlen. Jetzt stand Jeff vor der Aufgabe, die Essenz dieser Millionen tiefempfundenen Worte herauszudestillieren, ihre unverfälschte Kraft zu bündeln, indem er sie auf den Kern zurückführte und in den wirkungsvollsten Kontext hineinstellte. Harfen an den Weiden wollte er es nennen, nach dem einhundertsiebenunddreißigsten Psalm:
An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hingen wir
an die Weiden, die daselbst sind….
Wie könnten wir des HERRN Lied singen
in fremden Landen?
Jeff aß seine Limonelle zu Ende, stellte den Teller weg und trank die berauschende Fülle des frisch gebrühten Jamaika-Kaffees.
»Wie lange, glaubst du…« setzte Linda an, aber ihre Frage wurde vom schrillen Klingeln des Telefons auf dem Schreibtisch unterbrochen.
»Hallo?« meldete er sich.
»Hallo, Jeff«, sagte die Stimme, die er drei verschiedene Leben hindurch gekannt hatte.
Er wußte nicht, was er sagen sollte. Er hatte während der vergangenen Jahre so oft an diesen Moment gedacht, ihn gefürchtet, sich nach ihm gesehnt, bis er schon geglaubt hatte, er würde niemals kommen. Jetzt, da es soweit war, war er vorübergehend sprachlos, entdeckte er, daß all die sorgfältig auswendig gelernten Eröffnungsworte aus seinem Kopf verschwunden waren wie Wolkenfetzen, die der Wind zerstreut hatte.
»Kannst du offen reden?« fragte Pamela.
»Nicht ganz«, sagte Jeff, Linda unbehaglich ansehend. Sie hatte die Veränderung in seinem Gesichtsausdruck bemerkt und blickte ihn neugierig, aber ohne Mißtrauen an.
»Ich verstehe«, sagte Pamela. »Soll ich später wieder anrufen, oder könnten wir uns irgendwo treffen?«
»Das wäre besser.«
»Was? Später zurückrufen?«
»Nein. Nein, ich glaube, wir sollten uns treffen, und zwar bald.«
»Kannst
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