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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das zweite Spiel
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Eigenes«, Sie hielten die Fiktion aufrecht, besuchten nie das meerzugewandte Apartment im zehnten Stock, das Jeff und Linda miteinander teilten, und fuhren fort, ihn jede Woche in ihr Haus zum Sonntagsdinner einzuladen.
    In jenem Sommer 1969 hatte er das Projekt entworfen, das ihn nun ganz in Anspruch nahm. Lindas Vater hatte eines Sonntagabends beim Kaffee nach dem Dinner die Saat dafür gelegt. Es war inzwischen Jeffs Angewohnheit geworden, die Nachrichten zu ignorieren, jeder Diskussion über nationale oder internationale Ereignisse höflich auszuweichen. Doch in jener Woche hatte sein ehemaliger Schwiegervater nur ein einziges Gesprächsthema gekannt und nicht mehr damit aufhören wollen: die soeben abgebrochene Reise von Thor Heyerdahl und den närrischen Versuch des Norwegers, zu beweisen, daß frühe, mit Papyrusbooten segelnde Entdecker die ägyptische Kultur mehr als drei Jahrtausende vor Kolumbus nach Amerika gebracht haben könnten.
    Lindas Vater hatte über das Vorhaben gespottet, hatte Heyerdahls Beinaheerfolg als vollständiges Scheitern abgetan, und Jeff hatte sein Wissen für sich behalten, daß der Abenteurer und Anthropologe ein Jahr später mit einer zweiten Expedition triumphieren würde. Doch das Gespräch hatte ihn zum Nachdenken gebracht, und in jener Nacht hatte er bis zum Morgen wachgelegen, auf die bewegte Brandung unter seinen Apartmentfenstern gelauscht und sich vorgestellt, wie er in einem leichten Schiff eigener Herstellung auf diesem dunklen Meer trieb, in einem zerbrechlichen Boot, das den Stürmen dieses Jahres unterliegen mochte, das jedoch wiederkehren würde, um das Meer zu überwinden, das ihn für sich gefordert hatte.
    Im gleichen Monat waren er und Linda wie bereits zuvor zum Cape hochgefahren, um Zeuge der kontrollierten Gewalt der mächtigen Saturn V-Rakete zu sein, die Apollo 11 zum Mond brachte. Nach dem Start, als sie zusammen mit hunderttausend anderen Wagen voller Zuschauer im Schritttempo an der bereits überentwickelten Golfküste entlang zurückfuhren, war Jeff von Gedanken an Abgeschiedenheit, an Rückzug aus den Tagesgeschäften der Menschheit erfüllt. Nicht die Art Abgeschiedenheit und Zuflucht, die er einmal in Montgomery Creek gesucht hatte, sondern eine Seefahrt der Isolation, eine epische Reise der Einsamkeit, auf ein noch unbewiesenes Ziel zu.
    Heyerdahl kannte dieses Gefühl, davon war Jeff überzeugt, ebenso wie die Crew der Mission, die sie soeben hatten abheben sehen, und keiner von der Crew kannte es besser als Michael Collins. Armstrong und in geringerem Maße auch Aldrin würden den Ruhm ernten, jene historischen ersten Schritte tun, die gewählten ersten Worte sprechen, die Flagge in den Mondboden pflanzen… Doch jene dramatischen Stunden über, die seine Crewkameraden auf der Mondoberfläche verbrachten, würde Michael Collins einsamer sein als jemals jemand zuvor: eine Viertelmillion Meilen von der Erde entfernt, im Orbit um eine fremde Welt, die nächsten Menschen irgendwo unter sich auf diesem lebensfeindlichen Halbplaneten. Wenn ihn sein Befehlsmodul an der abgewandten Seite des Mondes vorbeitrug, würde Collins nicht einmal mehr Funkkontakt mit seinen Mitmenschen haben, würde er nicht einmal mehr die blauweiße Kugel sehen können, von der er stammte. Er würde sich der öden Unendlichkeit des Raums gegenübersehen, in äußerster Einsamkeit und Stille, die nur fünf weitere Menschen jemals erfahren würden.
    In diesem Augenblick, während er eingekeilt im Fünfunddreißig-Meilen-Verkehrsstau auf dem US Highway 1 nahe Melbourne festsaß, hatte Jeff gewußt, daß er diese Männer kennenlernen, sie verstehen mußte. Auf diese Weise würde er sich selbst und die einsame Reise durch die Zeit, der er und Pamela unterworfen waren, besser verstehen lernen.
    In der folgenden Woche hatte er die erste von vielen Fahrten nach Houston unternommen. Aufgrund des Erfolgs seines Earl-Warren-Interviews im Jahr zuvor überredete Jeff NBC, ihm dabei zu helfen, von der NASA den Presseausweis als freier Journalist zu bekommen. Er interviewte Stuart Roosa und, durch seine Vermittlung, Richard Gordon, Alfred Worden und die anderen, und freundete sich allmählich mit ihnen an. Selbst Michael Collins erwies sich als relativ zugänglich. Die Aufmerksamkeit und Lobhudelei der Öffentlichkeit konzentrierte sich weiterhin auf die Männer, die tatsächlich ihren Fuß auf den Mond gesetzt hatten, nicht auf jenen einen, der in der Umlaufbahn geblieben war, und die anderen,

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