Grimwood, Ken - Replay
vom Secret Service wegen Bedrohung des Lebens des Präsidenten festgenommen worden und würde ohne Kaution festgehalten werden, bis Kennedy seine Eintagesreise nach Texas zum Wochenende beendet hatte.
Jeff betrank sich schwer auf dem Rückflug nach New York an diesem Abend, doch der Alkohol hatte nichts mit dem Triumph zu tun, den er empfand, den frohlockenden Gedanken, die seinen Geist erfüllten: Bilder von einer Welt, in der Verhandlungen an die Stelle des Vietnamkrieges traten, in der die Hungrigen satt wurden, die Gleichberechtigung der Rassen ohne Blutvergießen verwirklicht wurde… eine Welt, in der John Kennedy und der hoffnungsvolle Geist der Menschlichkeit nicht sterben, sondern auf der Erde blühen und gedeihen würden.
Als das Flugzeug landete, schienen die Lichter von Manhattan ein leuchtendes Vorzeichen der glorreichen Zukunft zu sein, die Jeff soeben erschaffen hatte.
Am Freitagnachmittag öffnete seine Sekretärin zehn Minuten nach eins ohne anzuklopfen die Tür in seinem Büro. Sie stand mit tränenüberströmtem Gesicht im Türrahmen, unfähig zu sprechen. Jeff brauchte sie nicht zu fragen, was geschehen war. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand mit einem unsichtbaren, schweren Gegenstand in den Magen geschlagen.
Frank trat hinter ihr ein und teilte der jungen Frau ruhig mit, daß heute nicht mehr gearbeitet würde; sie und alle anderen sollten nach Hause gehen. Er nahm Jeff ins Schlepptau, und sie verließen zusammen das Gebäude. Unter den Menschen, die auf der Park Avenue herum irrten, herrschte allgemeine Ratlosigkeit. Einige weinten offen; andere hatten sich um Auto- oder Kofferradios versammelt. Die meisten starrten leer vor sich hin, indem sie in einer langsamen, zerstreuten Gangart, die für New Yorker vollkommen untypisch war, geistesabwesend einen Fuß vor den anderen setzten. Es war, als hätte ein Erdbeben die massive Betondecke von Manhattan gelockert, und niemand wäre sich mehr sicher, ob er seine Füße wieder gefahrlos aufsetzen konnte. Niemand wußte, ob die Straßen nicht erneut erzittern und nachgeben oder sogar aufreißen würden, um die Welt zu verschlingen. Die Zukunft war eingetroffen, mit einem niederschmetternden Satz.
Frank und Jeff fanden einen Tisch in einer Bar nahe Madison Square in der jedes Gespräch verstummt war. Auf dem Fernsehschirm startete die Air Force One von Dallas aus, an Bord den Leichnam des Präsidenten. Vor seinem geistigen Auge sah Jeff das Foto von L. B. J., der mit einer benommenen Jacqueline Kennedy neben sich den Amtseid ablegte. Das blutverschmierte Kleid, die Rosen.
»Was geschieht jetzt?« fragte Frank.
Jeff riß sich aus seinen makabren Tagträumereien. »Was meinst du?«
»Was steht der Welt jetzt bevor? Wohin gehen wir von jetzt an?«
Jeff zuckte die Achseln. »Ich glaube, eine Menge hängt von Johnson ab. Davon, welche Figur er als Präsident abgeben wird. Was glaubst du?«
Frank schüttelte den Kopf. »Du ›glaubst‹ gar nichts, Jeff. Ich hab noch nie erlebt, daß du etwas glaubst. Du weißt es.«
Jeff sah sich nach einem Ober um; sie blickten alle zum Fernseher, hörten zu, wie ein junger Dan Rather zum zwanzigsten Mal die folgenschweren Ereignisse des Nachmittags rekapitulierte. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Ich auch nicht, jedenfalls nicht genau. Aber da ist etwas, das… mit dir nicht stimmt. Irgend etwas Seltsames. Und es gefällt mir nicht.«
Jeff sah, daß die Hände seines Partners zitterten; er brauchte dringend einen Drink.
»Frank, es ist ein schrecklicher, merkwürdiger Tag. Wir haben im Moment alle eine Art Schock.«
»Du nicht. Nicht so wie ich und alle anderen. Niemand im Büro hat dir auch nur gesagt, was passiert ist; es war, als brauchten sie das nicht, als wüßtest du, was käme.«
»Sei nicht albern.« Ein stämmiger Polizeibeamter wurde im Fernsehen interviewt, und er beschrieb die landesweite Menschenjagd, die jetzt in Texas im Gange war.
»Was hast du letzte Woche in Dallas gewollt?«
Jeff betrachtete Frank erschöpft. »Was hast du gemacht, bei der Reiseagentur nachgefragt?«
»Yeah. Was hast du dort gesucht?«
»Mich nach etwas Grundbesitz für uns umgesehen. Es ist ein wachsender Markt, trotz allem, was dort heute passiert ist.«
»Vielleicht wird sich das ändern.« »Das glaube ich nicht.« »Du glaubst es nicht, hm? Warum nicht?« »Bloß so ein Gefühl.«
»Wir haben es mit deinen sogenannten ›Gefühlen‹ weit gebracht.«
»Und wir können es noch weiter
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