Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
Vom Netzwerk:
um Salve auf das Deck des Walfängers. Tolja warf Maljen ein Gewehr zu und schlang ein zweites auf seinen Rücken. Er sprang auf die Takelage und begann sie zu erklimmen. Tamar zog eine Pistole. Ich lag bewegungsunfähig auf den Planken, immer noch mit gefesselten Händen, kläglich und nutzlos.
    »Meeresgeißel vertäut, Kapitan!«, brüllte Priwjet.
    Zwei weitere Männer Sturmhonds schwangen sich über die Reling des Walfängers und landeten auf dem Deck des Schoners. Einer blutete stark aus einer Armwunde.
    Da ertönte ein Donnergrollen.
    »Er hat sich erholt!«, rief Tamar.
    Finsternis wölkte auf uns zu, tauchte auf ihrem Weg alles in Schwärze, verschluckte den Schoner.
    »Löst meine Ketten!«, bat ich. »Ich kann euch helfen!«
    Sturmhond warf Tamar die Schlüssel zu und rief: »Mach schon!«
    Tamar griff nach meinen Handgelenken und versuchte die Ketten zu lösen, während uns die Finsternis überrollte.
    Wir waren wie blind. Ich hörte jemanden aufschreien. Meine Schellen sprangen mit einem Klicken auf, die Ketten glitten von den Handgelenken und knallten auf die Planken.
    Ich hob die Hände. Licht durchflammte die Finsternis, fegte sie von Bord des Schoners. Sturmhonds Besatzung jubelte, aber die Erleichterung erstarb ihnen auf den Lippen, als ein schrilles Kreischen die Luft erfüllte – durchdringend und widernatürlich, ähnlich dem Quietschen, mit dem ein Tor aufschwang, ein Tor, das man niemals hätte öffnen dürfen. Meine Schulterwunde begann heftig zu pochen. Nitschewo’ja.
    Ich drehte mich zu Sturmhond um. »Wir müssen hier weg«, sagte ich. »Sofort.«
    Er zögerte, schien unentschlossen. Zwei seiner Männer waren noch auf dem Walfänger. Dann verhärtete sich seine Miene. »Segel setzen!«, rief er. »Kurs nach Osten, Stürmer!«
    Mehrere Seeleute, die vor den Masten standen, hoben die Arme und die Segel blähten sich mit einem dumpfen Knall. Wie viele Grischa mochten zur Besatzung des Freibeuters gehören?
    Doch die Stürmer des Dunklen hatten auf dem Deck des Walfängers Aufstellung genommen und versuchten uns mit ihren Winden aufzuhalten. Der Schoner schwankte auf den Wellen.
    »Backbordkanonen!«, brüllte Sturmhond. »Volle Breitseite. Auf mein Zeichen!«
    Zwei laute Pfiffe aus einer Trillerpfeife. Das Schiff wurde von einem ohrenbetäubend lauten Krachen erschüttert, danach von einem zweiten und einem dritten. Die Kanonenkugeln schlugen ein klaffendes Loch in den Rumpf des Walfängers. Auf dem Schiff des Dunklen erhob sich panisches Geschrei. Sturmhonds Stürmer nutzten die Gelegenheit und unser Schoner nahm wieder Fahrt auf.
    Im verfliegenden Pulverrauch erblickte ich eine Gestalt in Schwarz, die an die Reling des angeschlagenen Walfängers trat. Wieder rollte eine finstere Woge auf uns zu, aber diese war von anderer Qualität. Sie kam so ruckartig, als würde sie sich mit Klauen über das Wasser ziehen, begleitet von einem unheimlichen Schnarren wie dem von tausend zornigen Insekten.
    Die Finsternis schäumte und sprühte, einer Welle gleich, die sich an Felsen brach. Dann flockte sie auseinander und aus dem Dunkel formten sich einzelne Gestalten. Neben mir murmelte Maljen ein Gebet und legte das Gewehr an. Ich bündelte meine Macht zum Schnitt, ließ ihn durch die schwarze Wolke flammen, um die fürchterlichen Nitschewo’ja zu vernichten, bevor sie sich ganz materialisiert hatten. Aber ich konnte nicht alle aufhalten. Sie sausten als Horde schwarzer Klauen und Zähne auf uns zu.
    Sturmhonds Besatzung eröffnete das Feuer.
    Die Nitschewo’ja umwogten Masten und Segel des Schoners und pflückten die Seeleute wie Früchte von der Takelage. Danach wimmelten sie über das Deck. Maljen feuerte ohne Unterlass und die Männer der Besatzung hatten ihre Säbel gezogen, aber Kugeln und Klingen schienen den Ansturm der Ungeheuer bestenfalls zu verlangsamen. Ihre Schattenleiber waberten nur kurz und verfestigten sich dann wieder und sie drangen immer weiter vor.
    Der Schoner segelte weiter, brachte immer mehr Abstand zwischen uns und den Walfänger. Aber wir fuhren nicht schnell genug. Ich konnte das schrille Ächzen hören, mit dem eine weitere Welle aus wogender, schlingernder Finsternis auf uns zusauste und sich in geflügelte Leiber aufzuteilen begann, Verstärkung für die Schattenwesen.
    Sturmhond war dies nicht entgangen. Er zeigte auf einen der Stürmer, die die Segel mit Wind füllten. »Blitze!«, rief er.
    Ich erschrak. Das konnte nicht sein Ernst sein. Stürmern war das Aufrufen

Weitere Kostenlose Bücher