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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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schnaufte. »Ich bekomme keine Luft mehr, Maljen.«
    Er öffnete langsam die Augen, sah auf mich herab. Ich ließ die Hände sinken und das Licht erlosch ganz. Erst da löste er seinen Griff.
    Während die anderen langsam auf die Beine kamen, entzündete Tolja eine Laterne. Sturmhond strich über seinen stutzerhaften türkisfarbenen Rock. Die Fabrikatorin sah aus, als würde ihr gleich übel werden. Nur der Gesichtsausdruck der Zwillinge war schwer zu deuten. In ihren goldenen Augen leuchtete etwas, das ich nicht benennen konnte.
    »Nun ja, Sonnenkriegerin«, sagte Sturmhond mit leicht schwankender Stimme, »du weißt, wie man Eindruck schindet, kein Zweifel.«
    Maljen legte mir die Hände auf die Wangen. Er küsste mich auf Stirn, Nase, Lippen und Haar, und danach zog er mich wieder an sich.
    »Geht es dir gut?«, fragte er mit rauer Stimme.
    »Ja«, antwortete ich.
    Aber das stimmte nicht ganz. Ich spürte den Halsreif und ich spürte das Gewicht des Schuppenarmbands. Der andere Arm fühlte sich nackt an. Ich war unvollständig.
    Sturmhond scheuchte die Besatzung auf und bei Anbruch der Dämmerung waren wir schon wieder unterwegs. Wir wussten nicht, wie weit mein Licht gestrahlt hatte, aber es war denkbar, dass ich unsere Position verraten hatte. Wir mussten rasch weiter.
    Jedes Besatzungsmitglied wollte den zweiten Kräftemehrer sehen. Einige waren auf der Hut, andere neugierig, doch es war Maljen, der mir Sorgen bereitete. Er behielt mich ständig im Auge, als würde er befürchten, dass ich jeden Moment die Kontrolle verlieren könnte. Als wir nach Anbruch der Abenddämmerung unter Deck gingen, stellte ich ihn in einem engen Gang zur Rede.
    »Mir geht es gut«, sagte ich. »Glaub mir.«
    »Und woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es einfach. Ich kann es spüren.«
    »Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe. Es war …«
    »Es ist mir entglitten. Ich wusste ja nicht, was mir bevorstand.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du warst wie eine Fremde, Alina. Wunderschön«, sagte er. »Schrecklich.«
    »Das wird nicht wieder passieren. Das Armband ist jetzt ein Teil von mir wie meine Lunge oder mein Herz.«
    »Dein Herz«, sagte er tonlos.
    Ich ergriff seine Hand und drückte sie gegen meine Brust. »Es ist noch dasselbe Herz, Maljen. Und es gehört immer noch dir.«
    Ich hob die freie Hand und warf einen warmen Sonnenstrahl auf sein Gesicht. Er zuckte zusammen. Er wird deine Macht nie begreifen, und wenn doch, wird er dich fürchten. Ich verdrängte die Stimme des Dunklen aus meinen Gedanken. Maljen hatte das gute Recht, sich zu fürchten.
    »Ich schaffe das«, sagte ich mit sanfter Stimme.
    Er schloss die Augen und drehte sein Gesicht in das von meiner Hand ausgehende Sonnenlicht. Dann neigte er den Kopf zur Seite und bettete ihn auf meine Handfläche. Das Licht glühte warm auf seiner Haut.
    So standen wir schweigend da, bis die Wachglocke ertönte.

Die Winde wurden wärmer und das graue Meer wurde blau, während wir auf der Wolkwolnij Richtung Süden nach Rawka segelten. Sturmhonds Besatzung bestand aus Seeleuten und unabhängigen Grischa, die Hand in Hand für eine reibungslose Fahrt sorgten. Trotz der Gerüchte über den zweiten Kräftemehrer schenkten sie weder Maljen noch mir viel Beachtung, sahen jedoch manchmal zu, wenn ich am Bug des Schoners übte. Ich blieb achtsam, versuchte nicht zu weit zu gehen und rief die Macht immer gegen Mittag auf, wenn die Sonne hoch am Himmel stand und meine Versuche nicht auffielen. Maljen blieb skeptisch, aber ich hatte die Wahrheit gesagt: Die Macht der Meeresgeißel war jetzt ein Teil von mir. Sie berauschte mich. Sie gab mir frischen Mut. Ich fürchtete sie nicht.
    Die unabhängigen Grischa faszinierten mich. Jeder und jede von ihnen hatte eine andere Geschichte. Einem war von einer Tante zur Flucht verholfen worden, die ihn auf keinen Fall an den Dunklen hatte übergeben wollen. Ein anderer war aus der Zweiten Armee desertiert. Eine war vor der Ankunft der Grischa-Prüfer im Kartoffelkeller versteckt worden.
    »Meine Mutter machte ihnen weis, ich wäre an dem Fieber gestorben, das im Frühling zuvor unser Dorf heimgesucht hatte«, erzählte die Fluterin. »Die Nachbarn schnitten mein Haar und gaben mich als ihren verstorbenen Otkazat’ja -Sohn aus, bis ich alt genug war, das Dorf zu verlassen.«
    Toljas und Tamars Mutter war eine an der Südgrenze stationierte Grischa gewesen. Dort hatte sie den Vater der beiden kennengelernt, einen Kaufmann der Shu-Han.
    »Als

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