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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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verteilte Goldmünzen und Säcke mit Zucker. Er ließ sich von Kaufleuten die Hand schütteln und von verrunzelten Matronen, die ihn Sobatschka nannten, auf die Wange küssen und er bezauberte mit seinem Charme jeden, der vor ihm stand. Er war unermüdlich, schien nie zu erlahmen. Er blieb offen und freundlich, egal wie viele Werst wir geritten oder wie vielen Menschen wir begegnet waren.
    Immer schien er zu wissen, was die Menschen von ihm erwarteten, wann er den schalkhaften Buben oder den strahlenden Prinzen oder den müden Soldaten zu spielen hatte, was sich vermutlich der Tatsache verdankte, dass er von Zarengeblüt war und bei Hofe die entsprechende Erziehung erhalten hatte. Trotzdem kostete es mich einige Nerven, ihm dabei zuzusehen.
    Sein Wort von den spektakulären Auftritten war kein Scherz gewesen. Er versuchte stets, entweder während der Morgen- oder der Abenddämmerung anzukommen, oder er ließ unsere Prozession im tiefen Schatten einer Kirche oder eines Marktplatzes halten – um die Sonnenkriegerin besser präsentieren zu können.
    Wenn er mich dabei ertappte, wie ich die Augen verdrehte, zwinkerte er mir zu und sagte: »Alle halten dich für tot, Liebes. Du brauchst einen strahlenden Auftritt.«
    Also hielt ich mich an meinen Teil der Abmachung und spielte meine Rolle. Ich lächelte gütig und rief das Licht auf, ließ es auf Dächer und Türme fallen und badete jedes ehrfurchtsvolle Gesicht in seiner Wärme. Mütter brachten mir ihre Säuglinge, damit ich sie küsste, Greise mit tränennassen Wangen beugten sich tief über meine Hand. Ich kam mir vor wie eine Hochstaplerin und das gestand ich Nikolaj.
    »Wie meinst du das?«, fragte er aufrichtig verwirrt. »Die Menschen lieben dich.«
    »Du meinst wohl, dass sie deine preisgekrönte Ziege lieben«, knurrte ich, als wir aus einer Stadt ritten.
    »Hast du je einen Preis gewonnen?«
    »Das ist nicht witzig«, flüsterte ich zornig. »Du weißt doch, was der Dunkle vermag. Diese Menschen werden ihre Söhne und Töchter in den Kampf gegen die Nitschewo’ja schicken und ich werde sie nicht retten können. Du verkaufst ihnen eine Lüge.«
    »Wir schenken ihnen Hoffnung. Das ist besser als nichts.«
    »Sagt ein Mann, der niemals nichts hatte«, erwiderte ich und riss mein Pferd herum.
    Rawka war im Sommer am schönsten. Dann erstrahlten die Felder in Gold und Grün, und die Luft war von dem süßen und wohltuenden Duft warmen Heus erfüllt. Ich wollte auf keinen Fall in der bequemen Kutsche reisen, obwohl Nikolaj immer wieder darauf bestand. Mein Hintern war wund und meine Oberschenkel schmerzten heftig, wenn ich abends aus dem Sattel glitt, aber zu Pferd bekam ich frische Luft und hatte während jedes Tagesritts die Gelegenheit, zu Maljen zu stoßen. Er sprach wenig, schien jedoch etwas aufzutauen.
    Nikolaj hatte verbreitet, dass der Dunkle Maljen auf der Schattenflur hatte hinrichten wollen. Das hatte Maljen unter den Soldaten sofort Vertrauen und sogar etwas Ruhm eingebracht. Er war gelegentlich mit den Fährtensuchern der Einheit unterwegs und er versuchte, Tolja die Jagd zu lehren, obwohl der riesenhafte Grischa nicht dafür geschaffen war, lautlos durch die Wälder zu pirschen.
    Als wir hinter Sala durch ein Gehölz weißer Ulmen ritten, räusperte sich Maljen und sagte: »Ich habe überlegt …«
    Ich setzte mich gerade hin und war ganz Ohr. Dies war das erste Mal seit unserem Aufbruch aus Kribirsk, dass er von sich aus ein Gespräch begann.
    Er rutschte im Sattel hin und her, wich meinem Blick aus. »Ich habe überlegt, wer die Wache vervollständigen könnte.«
    Ich runzelte die Stirn. »Die Wache?«
    Er räusperte sich wieder. »Deine Leibgarde. Ein paar von Nikolajs Männern scheinen geeignet zu sein, und Tolja und Tamar kämen sicher auch in Frage. Sie sind zwar Shu, aber auch Grischa, es wäre also unproblematisch. Und dann gibt es noch … tja – mich.«
    Maljen errötete, ein Anblick, der mir vollkommen neu war.
    Ich grinste. »Willst du damit sagen, dass du meine Leibgarde anführen möchtest?«
    Maljen warf mir einen Blick zu, seine Lippen zeigten die Andeutung eines Lächelns. »Bekomme ich dann eine flotte Mütze?«
    »Die flotteste«, sagte ich. »Vielleicht auch einen Umhang.«
    »Und Federbüsche?«
    »Oh, ja. Mehrere.«
    »Dann bin ich dabei.«
    Ich wollte es eigentlich dabei belassen, konnte aber nicht anders, als hinzuzufügen: »Ich dachte … ich dachte, du würdest zu deiner Einheit zurückkehren und wieder als

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