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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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zusammengesetzt.
    Die Erwartungen der Pilger erschreckten mich. Sie glaubten, ich wäre erschienen, um Rawka von seinen Feinden zu erlösen, von der Schattenflur, von dem Dunklen, von der Armut und dem Hunger, von wunden Füßen und Mücken und allen möglichen anderen Plagen. Sie flehten mich an, sie zu segnen oder zu heilen, aber ich konnte nur das Licht aufrufen, winken und ihnen meine Hand reichen. All das war Teil des von Nikolaj inszenierten großen Auftritts.
    Die Pilger waren nicht nur gekommen, um mich zu sehen, sondern auch, um mir zu folgen. Sie schlossen sich der Prozession des Prinzen an, ihre zerlumpten Reihen wuchsen mit jedem Tag. Sie folgten uns von Stadt zu Stadt, lagerten auf Brachen, beteten im Morgengrauen für mein Wohlergehen und die Erlösung Rawkas. Ihre Zahl begann die der Soldaten Nikolajs zu übersteigen.
    »Das ist das Werk des Asketen«, beklagte ich mich bei Tamar, als wir eines Abends beim Essen saßen.
    Wir waren in einer Herberge eingekehrt. Ich konnte durch die Fenster die Kochfeuer der Pilger sehen, hörte sie ländliche Lieder singen.
    »Diese Menschen sollten nicht einer falschen Heiligen folgen, sondern zu Hause ihre Felder bestellen und für ihre Kinder sorgen.«
    Tamar schob eine viel zu weich gekochte Kartoffel auf ihrem Teller hin und her und sagte: »Meine Mutter meinte, die Macht der Grischa sei eine Gabe Gottes.«
    »Und du hast ihr geglaubt?«
    »Ich kenne keine bessere Erklärung.«
    Ich legte die Gabel hin. »Es ist keine Gabe Gottes, Tamar. Die Macht der Grischa kommt mit der Geburt, wie große Füße oder eine schöne Singstimme.«
    »Das glauben die Shu. In ihren Augen ist die Macht eine körperliche Funktion, die im Herzen oder in der Milz sitzt und herausgeschnitten und seziert werden kann.« Sie schaute aus dem Fenster auf das Pilgerlager. »Ich glaube nicht, dass diese Menschen dem zustimmen würden.«
    »Bitte sag mir nicht, dass du mich für eine Heilige hältst.«
    »Was du bist, tut nichts zur Sache. Wichtig ist nur, was du vermagst.«
    »Tamar …«
    »Diese Menschen glauben, du könntest Rawka retten«, sagte sie. »Und du glaubst das offenbar auch, denn sonst wärst du nicht nach Os Alta unterwegs.«
    »Ich will nach Os Alta, um die Zweite Armee wieder aufzustellen.«
    »Und um den dritten Kräftemehrer zu finden?«
    Mir wäre fast die Gabel aus der Hand gefallen. »Nicht so laut!«, japste ich.
    »Wir kennen die Istorii Sankt’ja .«
    Sturmhond hatte das Büchlein also nicht geheim gehalten. »Wer außer dir weiß davon?«, fragte ich und rang um meine Fassung.
    »Wir behalten es für uns, Alina. Wir wissen, was auf dem Spiel steht.« Tamars Glas hatte auf dem Tisch einen feuchten Kreis hinterlassen, den sie mit einem Finger nachzog. Dann fragte sie: »Ist dir bewusst, dass manche Leute glauben, alle frühen Heiligen seien Grischa gewesen?«
    Ich legte die Stirn in Falten. »Welche Leute?«
    Tamar zuckte mit den Schultern. »Es reicht wohl, dass ihre Anführer exkommuniziert wurden. Manche hat man sogar auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«
    »Das ist mir neu.«
    »Ist lange her. Und ich begreife nicht, was die Leute daran so aufregt. Wären die Heiligen Grischa gewesen, dann wären ihre Taten ja nicht weniger wundersam.«
    Ich wand mich auf dem Stuhl. »Ich lege keinen Wert darauf, eine Heilige zu sein, Tamar. Ich versuche nicht, die Welt zu retten. Ich suche nur nach einer Möglichkeit, den Dunklen zu besiegen.«
    »Die Zweite Armee erneuern. Den Dunklen besiegen. Die Schattenflur zerstören. Rawka erlösen. Nenn es, wie du willst, aber ich finde, alles zusammen klingt verdächtig nach dem Versuch, die Welt zu retten.«
    So formuliert, klang es tatsächlich recht ehrgeizig. Ich trank einen Schluck Wein. Er schmeckte sauer im Vergleich mit den Weinen auf der Wolkwolnij .
    »Maljen wird dich und Tolja fragen, ob ihr in meine Leibgarde eintreten wollt.«
    Auf Tamars Gesicht entfaltete sich ein seliges Lächeln. »Im Ernst?«
    »Genau genommen beschützt ihr mich ja längst. Aber für den Fall, dass ihr es rund um die Uhr tun möchtet, müsst ihr mir etwas versprechen.«
    »Alles, was du willst«, sagte sie strahlend.
    »Schluss mit dem Gewäsch von der ›Heiligen‹.«

Je zahlreicher die Pilger wurden, desto unbändiger wurden sie, und so musste ich schließlich doch in der Kutsche fahren. Manchmal setzte sich Maljen zu mir, aber meist bewachte er die Kutsche zu Pferd, gemeinsam mit Tolja und Tamar. Ich sehnte mich zwar nach ihm, wusste aber, dass es so

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