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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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Gesicht. »Ich wurde nicht geboren, um dem Dunklen zu dienen.« Ich hätte ihn gern gefragt, wozu er geboren worden war, doch er tippte auf die Buchseite und sagte: »Wenn du willst, kann ich es für dich übersetzen.« Er grinste. »Oder ich schiebe es auf Tamar ab.«
    »Gut«, sagte ich. »Vielen Dank.«
    Er senkte den Kopf. Es war nur eine Verneigung, aber da er noch neben mir kniete, lag in dieser Geste etwas, das mir einen Schauder über den Rücken laufen ließ.
    Ich hatte das Gefühl, als würde er auf etwas warten. Zögernd legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. Sobald meine Finger darauf ruhten, atmete er aus. Es war fast ein Seufzer.
    So verharrten wir kurz schweigend im sanften Schein der Lampen. Dann erhob er sich und verneigte sich noch einmal.
    »Ich stehe vor der Tür«, sagte er und verschwand ins Dunkel.
    Am nächsten Vormittag kehrte Maljen von der Jagd zurück und ich erzählte ihm sofort alles – was ich von David erfahren hatte, von den Plänen für eine neue Kolibri , von meinem seltsamen Beisammensein mit Tolja.
    »Er ist ein schräger Vogel«, stimmte Maljen zu. »Aber es kann nicht schaden, sich die Kapelle anzuschauen.«
    Wir beschlossen, gemeinsam hinzugehen, und ich drängte ihn unterwegs, von der Jagd zu berichten.
    »Wir haben mehr Zeit mit Kartenspielen und dem Saufen von Kwass verbracht als mit der Jagd. Ein Herzog war so blau, dass er im Fluss die Besinnung verlor – er wäre fast ertrunken. Seine Diener zogen ihn an den Stiefeln heraus, aber er watete immer wieder hinein und lallte etwas von der besten Methode, Forellen zu fangen.«
    »War es schrecklich?«, fragte ich lachend.
    »Es war in Ordnung.« Er trat einen Stein über den Weg. »Die Leute sind sehr neugierig, was dich betrifft.«
    »Wieso habe ich die Ahnung, dass mir nicht gefallen wird, was du gleich erzählst?«
    »Ein Fährtensucher des Zaren ist überzeugt, dass du deine Macht nur vortäuschst.«
    »Und wie sollte ich das anstellen?«
    »Zum Beispiel mit Hilfe eines ausgefeilten Systems von Spiegeln und Winden, unterstützt durch Hypnose. Mir blieb die Spucke weg.«
    Ich musste kichern.
    »Nicht alles war so komisch, Alina. Nachdem sie ordentlich gebechert hatten, sagten einige Adelige ganz offen, dass die Grischa zusammengetrieben und allesamt hingerichtet werden müssten.«
    »Bei allen Heiligen«, hauchte ich.
    »Sie haben Angst.«
    »Das ist keine Entschuldigung«, sagte ich und spürte, wie der Zorn in mir aufstieg. »Wir sind auch Bürger von Rawka. Sie vergessen offenbar, was sie der Zweiten Armee zu verdanken haben.«
    Maljen hob die Hände. »Ich habe nicht gesagt, dass ich ihnen zugestimmt habe.«
    Ich seufzte und verpasste einem unschuldigen Ast einen Schlag. »Ich weiß.«
    »Ich glaube allerdings, dass ich ein wenig auf sie einwirken konnte.«
    »Wie das?«
    »Tja, sie fanden es gut, dass du in der Ersten Armee gedient und das Leben ihres Prinzen gerettet hast.«
    »Nachdem er sein Leben riskiert hatte, um uns zu retten?«
    »Ich habe mir erlaubt, bei den Einzelheiten fünfe gerade sein zu lassen.«
    »Oh, das wird Nikolaj gefallen. Und weiter?«
    »Ich habe ihnen erzählt, dass du Hering verabscheust.«
    »Wieso das denn?«
    »Außerdem, dass du ganz wild auf Pflaumenkuchen bist und dass Ana Kuja dir den Hintern versohlte, nachdem du deine Frühjahrsschuhe durch das Herumhüpfen in Pfützen ruiniert hattest.«
    Ich wand mich. »Das hast du erzählt? Warum denn?«
    »Ich wollte, dass du menschlich wirkst«, sagte er. »Wenn sie dich sehen, bist du für sie immer nur die Sonnenkriegerin – eine Bedrohung, eine weitere mächtige Grischa, der Dunkle in neuer Gestalt. Ich wollte erreichen, dass sie dich als eine Tochter, Schwester oder Freundin sehen. Ich wollte, dass sie Alina sehen.«
    Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Übst du dich darin, so wunderbar zu sein?«
    »Täglich«, erwiderte er grinsend. Dann zwinkerte er mir zu. »Aber ich würde es lieber ›nützlich‹ nennen.«
    Die Kapelle war das letzte Überbleibsel eines Klosters, das früher auf dem Hügel über Os Alta gestanden hatte und in dem angeblich die ersten Zaren Rawkas gekrönt worden waren. Im Vergleich mit den anderen Gebäuden auf dem Palastgelände war diese Kapelle ein bescheidener Bau mit weiß getünchten Mauern und einer einzigen blauen Kuppel.
    Sie war leer und verdreckt. Die Bankreihen waren voller Staub, unter dem Dach nisteten Tauben. Als Maljen auf dem Weg durch den Mittelgang meine Hand ergriff, schlug mein

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