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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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angestarrt, als Zoja gefragt hatte, ob ein Grischa jemals eine solche Macht gehabt habe. Morozow hatte mit den gleichen Kräften gespielt wie der Dunkle. Mit Zauberei. Schwarzer Magie.
    »Und wie?«, fragte ich.
    »Das weiß niemand«, sagte David und sah sich erneut unruhig im Raum um. »Nachdem der Schwarze Ketzer bei dem Unfall getötet worden war, der die Schattenflur erschuf, kam sein Sohn aus dem Versteck und übernahm die Führung der Zweiten Armee. Er ließ alle Schriften Morozows vernichten.«
    Sein Sohn ? Mir wurde wieder bewusst, dass kaum jemand das Geheimnis des Dunklen kannte. Der Schwarze Ketzer war nie umgekommen – es hatte immer nur einen Dunklen gegeben, einen einzigen, mächtigen Grischa, der seit Generationen an der Spitze der Zweiten Armee stand und seine wahre Identität verheimlichte. Soweit ich wusste, hatte er nie einen Sohn gehabt. Und dass er etwas so Wertvolles wie die Schriften Morozows vernichtet haben sollte, war undenkbar. An Bord des Walfängers hatte er mir erzählt, dass nicht alle Bücher die Kombination zweier Kräftemehrer verboten. Vielleicht bezog sich das auf Morozows Schriften selbst.
    »Warum hat sein Sohn im Versteck gelebt?«, fragte ich, weil es mich interessierte, wieso der Dunkle dieses Lügenmärchen gesponnen hatte.
    David runzelte die Stirn, als läge die Antwort auf der Hand. »Ein Dunkler wohnt nie mit seinem Sohn im Kleinen Palast, denn das Risiko eines Mordanschlags wäre zu hoch.«
    »Verstehe«, sagte ich. Das klang einleuchtend und nach Hunderten von Jahren zweifelte bestimmt kaum jemand an dieser Geschichte. Die Grischa hingen an ihren Traditionen und Genja war sicher nicht die erste Bildnerin, die in den Diensten des Dunklen gestanden hatte. »Aber warum hätte er die Schriften vernichten lassen sollen?«
    »Sie dokumentierten Morozows Experimente mit Kräftemehrern. Der Schwarze Ketzer hatte versucht, sie zu wiederholen. Dabei ging etwas schief.«
    Auf meinen Armen sträubten sich die Haare. »Und das Ergebnis war die Schattenflur.«
    David nickte. »Sein Sohn ließ alle Tagebücher und Aufzeichnungen Morozows verbrennen. Er hielt sie für zu gefährlich. Die Versuchung für die Grischa wäre viel zu groß gewesen. Darum habe ich bei dem Treffen geschwiegen. Ich dürfte nicht einmal wissen, dass es diese Schriften gab.«
    »Und woher weißt du es?«
    Wieder sah sich David in der fast leeren Werkstatt um. »Morozow war ein Fabrikator, vielleicht der allererste, aber auf jeden Fall der mächtigste. Er hat Dinge vollbracht, an die seither niemand gedacht hat, nicht einmal in den kühnsten Träumen.« Er zuckte verlegen mit den Schultern. »Für uns ist er eine Art Held.«
    »Weißt du noch mehr über die von ihm erschaffenen Kräftemehrer?«
    David schüttelte den Kopf. »Es gab zwar Gerüchte über weitere, aber ich wusste nur von dem Hirsch.«
    Gut möglich, dass David die Istorii Sankt’ja nie zu Gesicht bekommen hatte. Der Asket hatte behauptet, dass man dieses Buch früher allen Grischa-Kindern geschenkt hatte, die im Kleinen Palast eingetroffen waren. Aber das war lange her. Jetzt vertrauten die Grischa nur noch den Kleinen Künsten, und nach allem, was ich wusste, hatte der Glaube keine Bedeutung mehr für sie. Aberglaube , hatte der Dunkle über das rote Büchlein gesagt. Gehirnwäsche für Bauern . David hatte die Verbindung zwischen Sankt Ilja und Ilja Morozow offenbar nie gezogen. Oder verbarg er etwas vor mir?
    »Warum bist du hier, David?«, fragte ich. »Du hast den Halsreif geformt. Du musst doch gewusst haben, was der Dunkle vorhatte.«
    Er schluckte. »Ich wusste, dass er in der Lage sein würde, dich zu kontrollieren und durch den Halsreif deine Macht zu benutzen. Aber ich hätte nie gedacht, nie geglaubt … diese vielen Menschen …« Er rang um Worte. Schließlich streckte er mir seine tintenfleckigen Hände hin und sagte fast flehentlich: »Ich erschaffe Dinge. Ich zerstöre sie nicht.«
    Ich hätte ihm gern geglaubt, dass er die Skrupellosigkeit des Dunklen unterschätzt hatte. Ich hatte zweifellos den gleichen Fehler begangen. Aber er konnte auch lügen, und vielleicht war er einfach nur schwach. Was wäre schlimmer? , fragte eine barsche Stimme in meinem Kopf. Wenn er die Seiten einmal gewechselt hat, kann er es auch ein zweites Mal tun. War das Nikolajs Stimme? Die des Dunklen? Oder jener Teil von mir, der begriffen hatte, dass ich niemandem vertrauen durfte?
    »Viel Glück mit den Schüsseln«, sagte ich, als ich

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