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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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waren dunkelbraun, ja fast schwarz, und er verströmte einen Geruch nach Moder und Weihrauch. Wie eine Gruft, dachte ich schaudernd. Ich war froh, als er sich entfernte und neben den Zaren trat.
    Ich wurde sogleich von prachtvoll gekleideten Männern und Frauen umringt, die meine Bekanntschaft machen oder nur meine Hand oder meinen Ärmel berühren wollten. Sie kamen von allen Seiten auf mich zu, drängelten und rangen miteinander, um mir nahe zu sein. Genja trat genau in dem Moment neben mich, als meine Panik wieder aufzuflammen drohte. Aber die Erleichterung war nur von kurzer Dauer.
    Â»Die Zarin möchte dich sehen«, murmelte sie mir ins Ohr und lenkte mich durch die Menge. Wir verließen den Thronsaal durch eine schmale Seitentür und gingen durch einen Flur bis zu einem juwelengeschmückten Salon, wo die Zarin auf einem Diwan ruhte. Auf ihrem Schoß hatte sich ein hechelnder Hund mit platter Schnauze zusammengerollt.
    Die Zarin war wunderschön. Ihre glänzenden blonden Haare waren makellos frisiert, ihre feinen Gesichtszüge lieblich. Doch mit ihrem Gesicht stimmte etwas nicht – der Ausdruck war kalt, die Augen waren eine Spur zu blau, ihre Haut schien eine Spur zu glatt, ihr Haar eine Spur zu blond. Wie viel Arbeit mochte Genja all dies gekostet haben?
    Sie war von Damen in edlen blütenblattrosa und hellblauen Gewändern umgeben, deren Dekolletés mit Goldfäden und winzigen Süßwasserperlen geschmückt waren. Aber Genja, die eine schlichte cremefarbene Kefta trug und deren Haar flammend rot leuchtete, stellte sie alle in den Schatten.
    Â»Moja Tsaritsa« , sagte Genja und vollführte einen tiefen, anmutigen Knicks. »Die Sonnenkriegerin.«
    Dieses Mal musste ich mich entscheiden. Ich verneigte mich kurz und hörte, wie die Damen leise tuschelten.
    Â»Bezaubernd«, sagte die Zarin. »Ich verabscheue nichts so sehr wie Heuchelei.« Ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht verächtlich zu schnauben. »Stammst du aus einer Grischa-Familie?«, fragte sie.
    Ich sah nervös zu Genja, die mir ermutigend zunickte.
    Â»Nein«, antwortete ich und fügte sogleich hinzu: »Moja Tsaritsa.«
    Â»Aus einer Bauernfamilie?«
    Ich nickte.
    Â»Wir haben großes Glück mit unserem Volk«, sagte die Zarin und die Damen murmelten zustimmend. »Deine Familie muss über deinen neuen Status in Kenntnis gesetzt werden. Genja wird einen Boten schicken.«
    Genja nickte und knickste noch einmal. Ich erwog, auch einfach zu nicken, aber es wäre wohl falsch gewesen, eine Herrscherin gleich zu Beginn zu belügen.
    Â»Um ehrlich zu sein, Eure Hoheit, wurde ich im Haushalt von Herzog Keramsow erzogen.«
    Die Damen tuschelten überrascht und sogar Genja wirkte neugierig.
    Â»Eine Waise!«, rief die Zarin erfreut aus. »Wie herrlich!«
    Ich fand es zwar unpassend, den Tod meiner Eltern als »herrlich« zu bezeichnen, aber da mir nichts Besseres einfiel, murmelte ich: »Ich danke Euch, moja Tsaritsa .«
    Â»Hier wird dir sicher alles sehr merkwürdig vorkommen. Achte darauf, dass dich das Leben bei Hofe nicht verdirbt, denn das geschieht oft«, sagte sie und ließ den Blick aus ihren marmorblauen Augen zu Genja gleiten. Das war eindeutig eine Beleidigung, aber Genja verzog keine Miene, was der Zarin nicht zu gefallen schien. Sie entließ uns mit einem Wink ihrer üppig beringten Finger. »Nun geht.«
    Als Genja mich auf den Flur führte, glaubte ich zu hören, wie sie murmelte: »Alte Kuh.« Aber bevor ich sie zu den Worten der Zarin befragen konnte, erschien der Dunkle und führte uns durch einen leeren Flur davon.
    Â»Wie war die Audienz bei der Zarin?«, fragte er.
    Â»Schwer zu sagen«, antwortete ich aufrichtig. »Ihre Worte waren sehr freundlich, aber sie hat mich die ganze Zeit betrachtet, als wäre ich etwas, das ihr Hund ausgewürgt hat.«
    Genja lachte und die Lippen des Dunklen zuckten, als wollte er lächeln.
    Â»Willkommen bei Hofe«, sagte er.
    Â»Ich weiß nicht, ob es mir hier gefällt.«
    Â»Hier gefällt es niemandem«, gestand er. »Aber wir machen gute Miene dazu.«
    Â»Der Zar wirkte erfreut«, sagte ich.
    Â»Der Zar ist ein Kind.«
    Mir blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen und ich sah mich hastig nach möglichen Zuhörern um. Für diese Leute war Majestätsbeleidigung offenbar etwas ganz Alltägliches.

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