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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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den Händen.
      
An der Yale Law School teilt sich die Studentenschaft in zwei Lager, wie an
allen anderen renommierten juristischen Fakultäten auch. Viele von denen, die
zuvor ganz vernarrt waren in die erhabene Idee, den Erniedrigten und
Benachteiligten zu helfen, machen plötzlich eine Kehrtwende und beginnen davon
zu träumen, in der ersten Liga der amerikanischen Juristerei mitzuspielen. Die
andere Hälfte erweist sich dieser Verführung gegenüber als resistent und hält
an der idyllischen Vorstellung von einer Tätigkeit im Dienst des Gemeinwohls
fest. Die Spaltung ist offensichtlich, aber die Lager gehen höflich miteinander
um.
      
Wenn ein Chefredakteur des Yale Law Journal einen schlecht bezahlten Posten als
Rechtshilfeberater annimmt, ist er für viele Kommilitonen und für den größten
Teil des Lehrkörpers ein Held. Gibt er hingegen den Versuchungen der Wall
Street nach, sehen ihn dieselben Leute in einem sehr viel ungünstigeren Licht.
      
Kyles Leben wurde unerträglich. Seine sozial engagierten Freunde wollten es
nicht glauben. Diejenigen, die mit den großen Kanzleien sympathisierten, hatten
zu viel zu tun, um sich für ihn zu interessieren. Seine Beziehung zu Olivia
beschränkte sich darauf, dass sie einmal pro Woche miteinander schliefen, und
das aus einem rein körperlichen Bedürfnis heraus. Sie sagte, er habe sich
verändert, sei launischer, trübsinniger, immer mit sich beschäftigt. Er konnte
ihr den Grund nicht erzählen.
    Wenn
du wüsstest, dachte er.
     
Sie hatte für den Sommer ein Praktikum bei einer Gruppe angenommen, die sich in
Texas gegen die Todesstrafe engagierte; folglich war sie voller Eifer und hegte
große Pläne, den Lauf der Dinge dort zu ändern. Sie sahen sich immer seltener,
schafften es aber trotzdem, sich immer häufiger zu streiten.
     
Einer von seinen Lieblingsprofessoren war ein ehemaliger Radikaler, der den
größten Teil der sechziger Jahre damit verbracht hatte, an Protestmärschen für
oder gegen etwas teilzunehmen. Auch heute noch war er immer der Erste, wenn es
darum ging, mit den Studenten eine Petition gegen die jüngste Ungerechtigkeit
aufzusetzen. Als er hörte, dass Kyle umgefallen war, rief er an und verlangte
ein Gespräch bei einem gemeinsamen Mittagessen. Sie aßen Enchiladas in einem
mexikanischen Restaurant in der Nähe des Campus und stritten sich eine Stunde
lang. Kyle gab vor, sich die Einmischung in seine Privatsphäre zu verbitten,
wusste aber innerlich, dass er im Unrecht war. Der Professor redete energisch
auf ihn ein, doch es war zwecklos. "Ich bin sehr enttäuscht von
Ihnen", sagte er, bevor er ging.
     
Kyle quittierte die entmutigenden Abschiedsworte mit einem barschen
"Danke" und verfluchte sich selbst, als er zur Universität
zurückkehrte. Dann verfluchte er Bennie Wright und Elaine Keenan und Scully
& Pershing und alle anderen, die im Moment in seinem Leben eine Rolle
spielten. Zurzeit fluchte er oft.
     
Nach ein paar unerfreulichen Zusammenstößen mit seinen Freunden fand er
irgendwann den Mut, nach Hause zu gehen.
    Die
McAvoys waren im späten achtzehnten Jahrhundert in den Osten Pennsylvanias
gekommen, zusammen mit Tausenden anderer schottischer Siedler. Für ein paar
Generationen waren sie Farmer, dann zogen sie nach Virginia, North oder South
Carolina oder sogar noch tiefer in den Süden weiter. Einige jedoch blieben,
darunter Kyle McAvoys Großvater, ein presbyterianischer Pfarrer, der vor Kyles
Geburt starb. Reverend McAvoy stand mehreren Kirchen am Stadtrand von
Philadelphia vor, bevor er 1960 nach New York versetzt wurde. Sein einziger
Sohn, John, absolvierte dort die Highschool und kehrte nach dem College, der
Teilnahme am Vietnamkrieg und dem Jurastudium nach Hause zurück.
      
Im Jahr 1975 quittierte John McAvoy seinen mäßig bezahlten Job bei einer
kleinen, auf Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei in York. Er überquerte die
Market Street, mietete auf der anderen Straßenseite zwei Räume in einem
umgebauten Reihenhaus, hängte ein Schild vor die Tür - und war bereit, die
ersten Mandanten vor Gericht zu vertreten. Immobilienrecht war ihm zu
langweilig. Er sehnte sich nach dem Gerichtssaal, wollte Konflikte, dramatische
Zuspitzungen, Urteile. In York passierte wenig genug. Als ehemaliges Mitglied
der Marines suchte er nach kämpferischen Auseinandersetzungen.
      
Er arbeitete hart und behandelte alle anständig. Seine Mandanten konnten ihn
auch zu Hause anrufen, und notfalls traf er sich

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