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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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haben. Ein Punkt in der allumfassenden
Firmenphilosophie, eine von den zahllosen Verhaltensmaßregeln, mit denen sie
die ganze Woche über bombardiert worden waren, war das strenge Verbot von
Büroromanzen. Wenn sich doch etwas anbahnte, musste einer der beiden
Beteiligten die Kanzlei verlassen. Sobald eine Affäre aufflog, drohte eine
Strafe, wobei in den Handbüchern nichts Genaueres über deren Nafür stand. Es
ging das Gerücht um, dass ein Jahr zuvor eine unverheiratete Neue gefeuert
worden war, während der verheiratete Kanzleipartner, der ihr nachgestellt
hatte, in die Niederlassung nach Hongkong musste.
      
Die vier bekamen eine Sekretärin zugeteilt, die Sandra hieß und achtzehn lange
und nervenaufreibende Jahre in dieser Kanzlei hinter sich hatte. Sie hatte es
einmal bis in die oberste Liga geschafft, als Chefsekretärin eines
Seniorpartners, doch der Druck war zu groß gewesen. Und so war sie immer weiter
nach unten durchgereicht worden, bis hinab zu den Greenhorns, wo sie nun die
meiste Zeit damit verbrachte, jungen Leuten, die vor vier Monaten noch
Studenten gewesen waren, das Händchen zu halten.
      
Die erste Woche war vorbei. Kyle hatte noch keine einzige Arbeitsstunde in
Rechnung gestellt, aber das würde sich ab Montag ändern. Er winkte ein Taxi
herbei, sein Ziel war das Mercer Hotel in SoHo. Es ging nur langsam voran, und
so öffnete er seine Aktentasche und zog einen FedEx-Umschlag heraus, der den
Absender einer Brokerfirma in Pittsburgh trug. Joeys handschriftliche Botschaft
lautete: "Hier ist der Bericht. Weiß nicht recht, was ich davon halten
soll. Schreib mir kurz was dazu."
     
Kyle nahm an, dass es Wright unmöglich sein würde, die Flut an Post zu
kontrollieren, die bei Scully & Pershing täglich ein und aus ging. Post,
die von fünfzehnhundert Anwälten ununterbrochen produziert wurde - denn dafür
waren sie schließlich da. Die Poststelle der Kanzlei war größer als das Postamt
einer Kleinstadt. Und so hatten Joey und er beschlossen, auf Nummer sicher zu
gehen und sich ganz altmodisch Briefe zu schreiben, die am nächsten Tag
zugestellt wurden.
     
Der Bericht war von einer Detektei in Pittsburgh erstellt worden. Er war acht
Seiten lang und kostete zweitausend Dollar. Gegenstand war Elaine Keenan,
inzwischen dreiundzwanzig, die sich zurzeit in Scranton, Pennsylvania, eine
Wohnung mit einer anderen Frau teilte. Die beiden ersten Seiten behandelten
Familie, Ausbildung und beruflichen Werdegang. Sie war nur ein Jahr an der
Duquesne University gewesen, und ein schneller Blick auf ihr Geburtsdatum
bestätigte, dass sie, als die Geschichte damals passierte, noch nicht achtzehn
gewesen war. Nach Duquesne hatte sie in Erie und Scranton ein wenig
herumstudiert, aber bislang keinen Abschluss gemacht. Im letzten Sommersemester
war sie an der Universität von Scranton eingeschrieben gewesen. Sie war
Parteimitglied der Demokraten und hatte zwei Wahlkampf-Aufkleber auf der Stoßstange
ihres Nissan, Baujahr 2004, der auf ihren Namen zugelassen war. Gemäß den zur
Verfügung stehenden Daten besaß sie weder Immobilien noch Waffen noch Aktien in
ausländischen Depots. Es gab zwei kleinere Gesetzesübertretungen, die beide mit
Alkoholkonsum unter einundzwanzig zu tun hatten und von den Gerichten im
Schnellverfahren abgehandelt worden waren. Beim zweiten Mal hatte sie die
Auflage bekommen, zur Suchtberatung zu gehen. Vertreten hatte sie eine
ortsansässige Anwältin namens Michelin Chiz, besser bekannt als Mike. Das war
insofern bemerkenswert, als Elaine in der Kanzlei von Michelin Chiz &
Anwälte eine Teilzeitstelle hatte. Ms Mike Chiz genoss einen gewissen Ruf als
bissige Scheidungsanwältin, die immer auf der Seite der Frauen stand und stets
bereit war, widerspenstigen Ehegatten den Schneid abzukaufen.
      
Im Hauptjob war Elaine bei der Stadt Scranton angestellt, in der
Grünflächenverwaltung. Verdienst: vierundzwanzigtausend Dollar im Jahr. Sie
arbeitete dort seit fast zwei Jahren. Davor war sie von einem Teilzeitjob zum
nächsten gehopst.
      
Ihre private Lebenssituation war weniger durchsichtig. Ihre Mitbewohnerin war
achtundzwanzig, arbeitete in einem Krankenhaus, besuchte ebenfalls Kurse an
einem College vor Ort, war nicht verheiratet und hatte keine Vorstrafen. Elaine
war sechsunddreißig Stunden lang beobachtet worden. Am ersten Tag nach der
Arbeit traf sie sich mit ihrer Mitbewohnerin auf einem Parkplatz nahe einer
Bar, die vor allem von alternativem Publikum besucht wurde. Auf dem

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