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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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letzte Nacht benutzt."
    "Wozu?
Läuft da was zwischen ihm und Dale?"
    "Keine
Ahnung. Ich hab ihn vor einer Stunde geweckt."
    "Dann
bist du nach Hause gegangen? Du hast in deinem eigenen Bett geschlafen?"
    "Ja."
    "Ich
muss bis heute Mittag zwei Projekte fertig machen, die beide extrem wichtig und
dringend sind. Schlaf ist ein Luxus, den ich mir nicht erlauben kann."
    "Tabor,
du bist der Größte. Auf was wartest du noch, Supermann?"
    Und
damit war Tabor auch schon fort.
    Dale
Armstrong kam Punkt sieben Uhr, ihre übliche Zeit, und obwohl sie ein bisschen
verschlafen wirkte, sah sie so aus wie immer, als wäre sie geradewegs einem
Modemagazin entstiegen. Offenbar gab sie den größten Teil ihres nicht gerade
kleinen Gehalts für Designerkleidung aus, und Kyle sowie Tim und Tabor
erwarteten die tägliche Modenschau stets mit Spannung.
    "Du
siehst großartig aus heute", sagte Kyle lächelnd. "Danke."
    "Prada?"
    "Dolce
& Gabbana."
    "Die
Schuhe sind der Wahnsinn. Blahnik?"
    "Jimmy
Choo."
    "Lass
mich raten. Fünfhundert?"
    "Frag
bloß nicht."
     
Kyle, der ihr jeden Tag solche Komplimente machte, kannte inzwischen die Namen
sämtlicher Hohepriester weiblicher Bekleidung. Es war eines der wenigen Themen,
über die Dale sich mit ihm unterhielt. Nach sechs Wochen Seite an Seite mit ihr
in der Box wusste er immer noch nicht viel über sie. Wenn sie etwas sagte, was
nicht oft der Fall war, ging es immer um Geschäftliches und das erbärmliche
Leben eines Anwalts im ersten Jahr. Falls es einen Freund gab, musste sie ihn
erst noch erwähnen. Zweimal hatte sie die Deckung heruntergenommen und war nach
der Arbeit in eine Bar mitgekommen, was sie normalerweise immer ablehnte. Alle
Neuen jammerten über die vielen Arbeitsstunden und den Druck von oben, doch
Dale Armstrong schien der Stress mehr zu schaffen zu machen als den meisten von
ihnen.
    "Was
machst du in der Mittagspause?", fragte Kyle.
     "Ich
habe noch nicht mal gefrühstückt", erwiderte sie kühl und setzte sich mit
dem Rücken zu ihm an ihren Schreibtisch.
     
    Kapitel
22
          
Das Licht im Obdachlosenheim wurde morgens um sechs eingeschaltet, woraufhin
fast alle Männer und Frauen aufstanden und ihre Vorkehrungen für den Tag
trafen. Die Regeln schrieben vor, dass sich nach acht Uhr niemand mehr im
Schlafsaal aufhalten durfte. Viele Bewohner hatten Arbeit; von denen, die keine
hatten, erwartete man, dass sie sich aktiv um eine Beschäftigung bemühten.
Bruder Manny und seine Mitarbeiter waren sehr erfolgreich darin, ihren "Freunden"
Arbeit zu besorgen, selbst wenn es häufig nur eine Teilzeitstelle war, die mit
Mindestlohn bezahlt wurde.
      
Das Frühstück fand oben in der Gemeindehalle statt, wo ehrenamtliche
Mitarbeiter in der kleinen Küche standen und Eier, Toast, Haferbrei und Müsli
zubereiteten. Serviert wurde mit einem Lächeln, einem herzlichen "Guten
Morgen" für jeden und einem kurzen Dankgebet, wenn alle an den Tischen
Platz genommen hatten. Bruder Manny, ein notorischer Langschläfer, zog es vor,
die frühmorgendlichen Pflichten in Hope Village zu delegieren. Während des
vergangenen Monats war die Küche von Baxter Tate organisiert und überwacht
worden, einem lächelnden jungen Mann, der in seinem früheren Leben noch nicht
einmal Wasser gekocht hatte. Baxter bereitete Rührei im Dutzend zu, toastete
ganze Weißbrote und kochte den Haferbrei - echten, keinen aus der Tüte.
Außerdem füllte er die Vorräte auf, erledigte den Abwasch und sprach häufig das
Gebet. Er, Baxter Tate, motivierte die übrigen ehrenamtlichen Mitarbeiter,
hatte für jeden ein freundliches Wort und kannte die Namen fast aller
Obdachloser, denen er das Frühstück servierte. Nachdem sie gegessen hatten,
verfrachtete er sie in drei alte Busse, die der Kirche gehörten und von denen
er einen selbst fuhr, und lieferte die Obdachlosen bei ihren verschiedenen Jobs
rund um Reno ab. Am späten Nachmittag sammelte er sie wieder ein.
     
Die Anonymen Alkoholiker trafen sich dreimal in der Woche in Hope Village -
Montag- und Donnerstagabend sowie Mittwochmittag. Baxter versäumte kein
einziges Treffen. Er wurde von den anderen Abhängigen herzlich aufgenommen und
wunderte sich insgeheim über die Zusammensetzung der Gruppen. Alle Rassen,
Altersgruppen, Männer und Frauen, Akademiker und Obdachlose, Reiche und Arme.
Der Alkohol schlug eine breite Schneise in jede Schicht der Gesellschaft. Es
gab alte, selbstbewusste Trinker, die sich damit brüsteten, seit Jahrzehnten
trocken zu sein,

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