Größenwahn
wird. Haben doch Haß und Liebe, die so nahe beieinander schlummern, denselben Ursprung.
Er war also allen Ernstes verliebt. Die Leidenschaften sind ja völlig unbewußt und stehen nicht in unserem Belieben, sondern bilden sich gleichsam mechanisch.
Um seinen Traum nicht zu zerstören und weil er einmal gelesen hatte, Abwesenheit und scheinbare Kälte vermehre die Liebe (eine jener Regeln, die lauter Ausnahmen zuläßt), mied er Egremonts drei Wochen lang. Auch um seine Arbeit zu fördern, wie er denn fast gar nicht ausging. Nun trieb es ihn wieder dorthin.
Aber zu seinem Befremden empfand er alsbald, daß ihm, obschon sehr höflich aufgenommen, eine auffallende Kälte entgegenwehte. Miß Maud warf ein paar mal spitze Bemerkungen hin, als er von seiner Schriftstellerei plauderte: Ja, heute schreibe Jedermann. Alice schien sehr gelangweilt und gleichgültig. Als er gereizt den Schmollenden spielte, verstand sie ihn gar nicht.
Er war außer sich. Dazu, hatte er jetzt seit vielen Tagen sein Herz mit schönen Gefühlen kasteit, dazu – –
Nichts ist belehrender und charakter-festigender, nichts aber auch verwundender für die Eigenliebe, als die seltsame Ueberraschung, sich in einem befreundeten Hause überflüssig zu finden. Die Abstufungen von plötzlicher Kälte zu allmählicher Kühle sind weniger verletzend, als die Erkenntniß, daß unsre Abwesenheit keineswegs bemerkt oder gar schmerzlich empfunden wurde.
Der Bankerotteur glaubt, Jeder werde ihn zur Thüre hinauswerfen – im Gegentheil! Man ist gespannt, zu erfahren, was ein solcher Herr eigentlich von uns will. Du hast Deine Frau geprügelt wie stadtkundig? Das glaubst Du in jedem Antlitz zu lesen? Eingebildeter Narr! Wir haben Alle ganz Anderes zu bedenken.
Aber wähne doch auch nicht, man habe, weil Du vier Wochen abwesend warest, sich gefragt: Mein Gott, was fehlt ihm, warum kommt er nicht? – Dein leerer Platz ist alsbald wieder gefüllt und im nächsten Caféhaus hat man sich einen neuen Freund geholt.
Hervorragende Naturen sind nicht eitler, wie mittelmäßige. Sie sind meist zu hochmüthig oder im besten Falle zu stolz dazu. Dennoch leiden sie meist, weil die Einbildungskraft und zugleich die Rücksichtnahme auf das liebe Ich vorherrscht, an dem Größenwahn, sich für besonders gehaßt oder geliebt zu halten. Nichts kann daher eine solche Seele stürmischer erregen und einen tiefern Abgrund in ihr aufreißen, als die entwürdigende Gleichgültigkeit, mit der man sie auf dasselbe Niveau mit ihrer Umgebung herabzieht. Eine Ahnung von der Unmöglichkeit der wahren Liebe und von der Schwierigkeit, verständnißvolle Theilnahme für die volle eigne Bedeutung zu finden, geht ihnen auf.
Zu Hause fand er die Karte eines Herrn vor, der in einer Stunde wieder vorsprechen wollte. »Eduard Rother, Maler? Hm, den Namen las ich schon öfter. Aus Berlin? Was will der von mir? – Meinethalben, ich bin zu Hause.«
III.
»Ei, das ist ja eine ganz vertrakte romantische Geschichte!« Krastinik hatte aufmerksam zugehört, nur hier und da den Erzählenden durch neugierige oder verwunderte Ausrufe unterbrochen. Er betrachtete forschend Rothers etwas dürftige Figur und krankhaftes Künstlergesicht. Weiß der Teufel! schoß es ihm durch den Kopf, das ist ja das prächtigste Modell zu meinem Goodenough!
»Nein, die Kathi! Ich hatte sie ja längst vergessen. Wer nimmt so 'was ernst!
Long, long ago!
Ich war halt Offizier. In jeder Garnison haben die Meisten irgendso was. Wer hätte das gedacht! – Ja, mit dem Allen hat es seine Richtigkeit, lieber Herr. Aber nun sagen Sie mir, was ich eigentlich dazu thun soll?«
»Nun, das liegt doch klar auf der Hand,« sagte Rother zuversichtlich. »Ihr Zeugniß ...«
»Mein Zeugniß!« Krastinik lachte hellauf. »Aber, mein Gott, sie wird sich doch wohl nicht für eine keusche Jungfrau ausgeben?«
»Ja freilich thut sie das.«
»Hm, hm. Und da soll ich ... Offengestanden, das ist doch eine abenteuerliche Geschichte. Und Sie setzen sich wirklich aufs Schiff und suchen mich auf? Donnerwetter, muß Ihnen aber die Affaire am Herzen liegen. Uebrigens, wissen's, Herr Kamerad, – wir sind ja Kameraden von Kathis Gnaden, haha –, an eine öffentliche Erledigung der Sache glaub' ich nicht. Wer droht, thut nichts – das weiß man ja.«
»Man sagt so. Aber da giebt's auch Ausnahmen. Wenn dieser Kohlrausch wirklich mit Kathi in Berlin großartig auftreten will, so muß er nach dem vielen vergangenen Skandal irgendetwas
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