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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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erschrak.
    »Puh!« sagte er »das reine bayrische Biermensch! In die hätt ich mich nie verliebt.« Und in der That war zwischen diesem Bild und dem ernsten melancholischen Mädchen, das vor ihm stand, kaum eine Aehnlichkeit zu entdecken.
    »Ja, das Bild darf nicht gezeigt werden. Die Herrn – es sind ein paar Lieutenants – haben ihr Wort darauf geben müssen; eher that ich's nicht. Bammer zwang mich dazu.«
    »So. Auch die andern Bilder da im Costüm sind nicht ähnlich. Sieh, der österreichische Offizier da.. wer ist das?«
    Sie schwieg und lächelte verlegen.
    »Aha, ist das der große Unbekannte, der erste Amoroso?«
    Nach einer Pause stieß sie hastig, aber mit augenscheinlicher Gleichgültigkeit hervor:
    »Ja, den hab ich einst sehr gern gehabt.«
    »Herr Gott, dies stupide Gesicht!« brummte er in sich und kopfschüttelnd. »Halt, wer ist dies Dämchen da gegenüber?« Sie antwortete nicht. »Ein interessanter Kopf.«
    »Aber das bin ich ja!«
    »Sie?« Er maß sie befremdet – keine Spur von Aehnlichkeit zwischen diesen leidenden schmachtenden Zügen und dem üppig blühenden Weibe vor ihm. »Da waren Sie wohl noch sehr jung.«
    »I bewahre, die Photographie ist aufgenommen, grad als ich nach Berlin kam. Ich sah sehr angegriffen aus.«
    »So, weshalb?« Sie gab keine Antwort. – Er ergriff Hut und Stock. »Ich muß fort zu einer Verabredung. Also gut, adieu. Wenn der Eberhart Sie besucht ...«
    »Mich? Hier? Niemals. Ich hab es ihm untersagt. Und jetzt schreib' ich ihm, daß er für mich eintreten soll gegen Bammer – nun, wir werden ja das Weitere sehn.«
    »Schon gut. Ich sehe, daß ich bei dem Allen nur eine lächerliche Rolle spiele. Ich hätte Ihnen nicht meinen Antrag gemacht, wenn nicht Wursteler mir gesagt hätte.. doch, wenn's auch nicht wahr ist: was ich schrieb, bleibt bestehen. Aber ebenso, was Sie von dem ›Jahr warten‹ gesagt haben. – Geben Sie mir Feuer!«
    Er hatte kurz, befehlend gesprochen. Sie eilte unterwürfig heran und brachte es ihm, wie eine zärtliche Sklavin.
    »Also wann wollen wir uns wieder sprechen?«
    »Ich werde Ihnen schreiben, weil jetzt natürlich in der ersten Zeit ich möglichst vermeiden muß, mit Jemand zusammenzukommen. Aber mit Ihnen darf ich natürlich jetzt eine Ausnahme machen.«
    »Mündliche Abmachung ist besser.«
    »Nein, es, macht mir Vergnügen, Ihnen zu schreiben. Sie haben ja so viel geschrieben; da kann ich doch auch schreiben,« sagte sie freundlich.
    »Schön. Also adieu.«
    Er wandte sich elegant auf den Hacken um, nachdem er sich kalt verbeugt.
    »Aber so geben Sie mir doch die Hand!« klagte sie vorwurfsvoll.
    Er gab ihr nur die Fingerspitzen. Sie gab ihm bis zum Treppenabsatz das Geleit und sah ihm nach. – –
    Mehrere Tage verstrichen, welche Rother in dem denkbar krankhaftesten Zustand verbrachte. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen oder vielmehr, all seine Gedanken drehten sich unablässig um den Punkt des einen großen Dilemmas:
    Wird sie über mein Bild in Wuth gerathen und mich compromittiren? Würden wir Beide wirklich es durchsetzen, als Paar der Welt zu trotzen?
    Ich habe ihr gewissermaßen falsche Vorspiegelungen gemacht oder besser, die falschen Vorstellungen, die sie und alle Andern nähren, nicht zerstört. Sie hält mich für vermögend genug, um ihr ein comfortables Heim zu bieten. Glaubt doch auch die Welt, daß der Ruhm eines Künstlers seinen Einkünften entspreche, während grade hier meist das Verdienst und der Verdienst nicht im Einklange stehen. Rother erbte allerdings einst von einem alten Erbonkel etwas Vermögen, aber das stand noch in weiter Zukunft.
    Den Rest jenes Abends, als er von ihr zurückkehrte, hatte er in großem Collegenkreis verbracht, wobei er am Abend in einem Café verschiedene langerwartete Zeichnungen von sich in illustrirten Blättern, mit großen Lobeserhebungen verbrämt, vorfand. Das wäre ihm früher wichtig und werthvoll gewesen, jetzt ließ es ihn völlig kalt. Die Sachen gewannen für ihn höchstens Werth, wenn sie ihr Auge darauf warf, sodaß er bei ihr an Ansehen wuchs. Wären sie nur etwas früher erschienen – aber jetzt waren Zeichnungen und Ruhmposaunen für ihn ohne alle Bedeutung. Als er an jenem Abend heimkehrte, fand er abschlägigen Bescheid betreffs einer akademischen Lehrstelle, um die er sich beworben. Das allein hätte ihn aufgeheitert: Er bedurfte eines festen Postens und Einkommens, um ihret willen. Seine Kunst mochte darunter leiden, ja zum Teufel gehn, er

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