Größenwahn
Menschen Wesen betrachtet.
Der Cabmann, der recht langsam trottet,
Peitscht, wo sich die Menge zusammenrottet,
Die Pferde, daß sie wie Wetter schnaufen,
Damit er die Andern zwinge zu laufen!
Liest Jemand laut Dein neues Gedicht,
Der Arme sich fast die Zunge zerbricht.
Bald kann er dies, bald das nicht lesen,
Als wäre die Schrift chaldäisch gewesen.
Und Alles dies ganz unbewußt.
Doch des Einen Müh ist des Andern Lust.
Der Mensch ist ein geborner Sclav
Und trägt im eignen Ich die Fessel.
Wenn ihn kein Königsscepter traf,
So dient er flugs dem – Suppenkessel.
Der Tugendhafte nur ist stark
Und nur der Starke haßt Tyrannen.
Das Laster saugt am Lebensmark
Und kann den Tapfersten entmannen.
Die That wird lang vorher vorausgeplant
Und jeder Pfad zu diesem Zweck gebahnt.
Trotz alledem sie nur bestimmen muß
Der eine augenblickliche Entschluß.
Lang klebt die Hand am Hahn – da fällt der Schuß!
So ist der Weiseste, wer langen Rath
Verschmäht, von jeder Welle rasch bestimmt,
Wer mit dem Strome jeder Stimmung schwimmt.
Und wahre Weisheit ist allein die That.
Um der Sansara Kleinigkeiten
Sich kümmern ziemt dem Denker nie.
Doch lässest Du Dich so verleiten,
So lern' auch hier Philosophie.
Der Grundsatz soll Dich vorbereiten:
Ein jedes Ding hat stets zwei Seiten.
Seinen Nutzen hat auch Unbequemes;
Leicht duldet man Unangenehmes,
Wenn man nur eine hübsche Moral
Zu ziehen weiß aus jeder Qual.
Nicht nur die Moral des besondern Falles,
Sondern diese Moral für Alles:
Das Gute hat sein Uebeles oft,
Doch stets aus Uebel unverhofft
Sproßt Gutes. Nöthig sind alle Dinge,
Nutzlos nichts in dem Lebensringe.
Denn aus einer nutzlosen Handlung
Gehn tausend hervor in unendlicher Wandlung.
Jed' Ding ist ein Blatt von dem Riesenbaum,
Ein nöthig Atom im Weltenraum.
Der kleinste Gedanke, das winzigste Wort,
Zeugt Millionen andre sofort.
Täuschung ist Beides, Schmerz und Lust,
Deß seid im Schmerze auch bewußt.
Trinkt fühllos die Hefe, doch schmecket den Schaum.
Denkt, Lust ist ein Traum, doch ein lieblicher Traum.
Wie der Falke von des Jägers Hand
In die Luft sich hebt
Und entkappt froh jauchzend und gewandt
Auf zum Himmel strebt –
Doch, gehorsam jedem Wink sogleich,
Wie er fortgesaust,
Auch zurückkehrt in des Herrn Bereich
Auf des Falkners Faust –
So auch suchst Du nur, was fremd und fern
O Germanengeist,
In das Hohe und das Weite gern
Es Dich vorwärts reißt.
Doch die Heimath dann den Sohn aufs neu
Dringend zu sich lädt:
Dann erst spürst Du recht, wie Du ihr treu.
Aber oft zu spät.
Was ist des Lebens Tragödie?
Ich will es Euch verkünden:
Das Leben ist eine Komödie
Und Späße darin die Sünden.
Doch in der Possenreißer Schaar
Da wollt Heroen ihr sogar
Mit tiefer Rührung finden.
Der prosaische Philister
Sucht Poesie in der Liebe:
Enttäuscht, entnüchtert ist er,
Wenn sentimentale Triebe
Mit kühlem Rechnen nur belohnt
Und die Göttin, die in seinem Herzen thront,
Ihm bald versetzt – Pantoffelhiebe.
»Priester des Ideals« nennt Ihr den Dichter,
Philister, phrasen-seliges Gelichter?
»Pfaffe des Ideals« wär mir noch lieber!
Und wirklich giebt es immer solche Pfaffen,
Die sich mit »Idealismus« Brod verschaffen,
Von des hochseligen Herwegh Kaliber.
Oder des dito Dingelstedt, Verächter
Der Tyrannei als biederer »Nachtwächter«,
Der aber später, wenn das »goldne Vließ«
Von Grillparzer er gab, sich daran stieß,
Daß ihm »das goldne Vließ« noch sei benommen,
Da alle andern Orden er bekommen!
Das größte Geheimniß der wahren Kunst
Beginnt sich erst dann zu enthüllen,
Wenn der Mensch dem Künstler dienstbar wird
Und kein andrer Zweck die Seele verwirrt
Und nur die Musen mit liebender Gunst
Die entgötterte Seele füllen.
Hot, Pegasus! die kümmerliche Weide
Des Alltagslebens lasse hinter Dir!
Ob Du auf Streu nun lotterst oder Seide,
Du sollst nicht lottern. In der Luft Revier
Steig auf und selbst die höchsten Alpen meide
Du nicht in Deinem Flug! In Kraftbegier
Zerbrich die Halfter, sei kein Droschkenschimmel!
Erzhufig Roß der Phantasie, gen Himmel!
Und voll entfaltend Deine prächtigen Flügel,
Trag' mich empor, auf Deinen Rücken springend!
Hui! Schleudre von Dir bald Gebiß und Zügel,
Durch Sonnengluth und Wetterwolken dringend!
Verzicht' auf Dich, wer noch bedarf der Bügel!
Fort, Zaum! Ins Allerheiligste Dich schwingend,
Steig
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