Größenwahn
verstummen mußte: »Drei Mal hat er mich schon besucht, um, wie er sagte, von dem Rathe eines älteren Meisters, dem er über alles vertraue, zu profitiren.« Lämmerschreyer lächelte heimlich. Wie oft hatte er mit Buchsbaum über den »lächerlichen stelzbeinigen kleinen dünnen Kahlkopf« gelacht – »klein und schmächtig« galt bei diesen Kraftbengeln als ästhetische Verurtheilung, da sie wie die Chinesen die Mandarinenweisheit am Leibesumfang maßen. Feichseler verlas dann noch einen begeisterten Brief Buchsbaum's an ihn, welcher »Hochverehrtester Meister« anhob und »Ihr ganz gehorsamster« endete. Hier flocht Gotthold Ephraim Wurmb die Bemerkung ein, daß er eigentlich Buchsbaum entdeckt und in letzter Zeit vielen Gedichten desselben die Spalten seines alleinseligmachenden Blattes geöffnet habe.
Am schärfsten klopfte man auf Mokamaute los, weil dessen dämonisch-krankhafte Individualität durch ihre, wenn auch ungesunde, Wahrhaftigkeit die conventionellen Phrasendrescher abstieß. Doch auch Krastinik sprach seine besondere Antipathie gegen diesen Dilettanten aus.
»Sein Leid ist so unnennbar groß und er versichert Jedermann, daß seine Seele nun völlig in der Lüste ekelm Schlund verdorben sei. Aber mit hartnäckiger Rüstigkeit bestellt er den Weinberg der Poesie weiter und setzt seine Leiden in edler Druckerschwärze wie eine vollgeladene Weltschmerzpistole der verachteten Welt auf die Brust. Dieser Kultus der Stimmungslyrik, diese Scheinpoesie, die naturgemäß zur Spielerei und Duselei verlockt, saugt ihm das letzte Mark aus den Knochen. In diesen Beiträgen ist er ja noch gar nicht in seinem
esse.
Man muß ihn in ätherischen Sphärenräumen herumfuchteln hören. Da löst er zuguterletzt alles in Wortmusik auf, als begnadeter Stimmungsfritze im Vollgefühl des einzig wahren Schöpfermysteriums. Sternenthau und Veilchenblau zu einem weinerlichen Reim verknüpfen – das eigene Persönchen, das weltverachtend nach Weltlust lechzt, selbstverleugnend dem All vermählen, um desto brünstiger die Befriedigung unersättlicher Ichsucht zu genießen – das ist so der richtige Lyriker von Gottes Gnaden!«
Diese herben Worte, welche der männliche Sinn des Ungars ihm entpreßte, gingen besonders dem Herausgeber Lämmerschreyer wie Oel ein. Seine stumpfe griechische Nase blähte sich, als genösse sie einen fetten Bratengeruch, und sein Schlangenäuglein blinzelte tückisch. Nun kam Krastinik selbst an die Reihe.
Graf Xaver Krastinik.
Lebensritte.
Dem Thoren scheint Thorheit, was der Weise spricht,
Der Dinge Innerliches versteht er nicht.
Was sind die Außenformen? Ein Wirbel von Monaden.
Der Geist in seiner Klause nur webt den rothen Faden,
Der regelrecht sich hinzieht durchs Wirrsal der Erscheinungen.
Doch blind ist Eure Wahrheit und Eure Fakta: Meinungen.
Zu jedem Laster, sei es noch so arg,
Liegt in Dir selbst der Keim, o Pharisäer!
Drum sei mit Deinem Tadel lieber karg!
O säh' Dein eigenes Innere ein Späher!
Alles ist ein Wunder in der weiten Welt,
Räthsel Dich umgeben, wohin Dein Auge fällt.
»Ueber nichts Dich wundern« rieth ein Weiser zwar.
Aber wer's befolgte, nie ein Weiser war.
Alles will ich gern ertragen,
Gern des Elends Fülle kosten.
Eins nur mag ich nimmer wagen:
Thatlos langsam zu verrosten.
Doch wer mit der Welt der Kleinen
Sich entwürdigend verschwistert,
Muß sich ewig ihr vereinen,
In ihr Stammbuch einregistert.
Der Teufel hole das Nörgeln und Zaudern,
Das Zupfen an jedem Eselsohr!
Kleckse machst Du über dem Plaudern!
Schmiere frisch darauf los, Du Thor!
Es gleicht der Leidenschaften Weg
Dem Niedergang vom Bergessteg.
Gleitet aus ein falscher Schritt,
Reißt uns alle der Absturz mit.
Was Optimist, was Pessimist!
O Don Quixot-Gerede!
O Fechten um des Kaisers Bart!
Windmühlenflügel-Fehde!
Die Welt lacht sich ins Fäustchen nur,
Wenn Idealisten sich zanken,
Und klatscht sich mästend Beifall gar
Dem hungernden Gedanken.
Und ist Euch nichts geblieben mehr,
So gebt den letzten Thaler her
Und kauft ein Stückchen Blei!
Ein leichter Druck, es ist nicht schwer,
Und alles ist vorbei!
Euch betäuben, dumme Jungen,
Vor dem großen Weltenweh
Durch ein liederlich Juchhe,
Bis Ihr gleich der Welt marode?
Endlich sind doch aus der Mode
Solche Trug-Entschuldigungen.
Wolle nicht wider die Sünde kämpfen,
Das wird nie Deine Begierden dämpfen.
Ihr zu trotzen will nicht taugen,
Sonst
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