Größenwahn
ihr heilsame Angst einjagen. Das gelang auch vollständig. Sie brach beinahe in Thränen aus. Als nun vollends die Wirthin erschien, welche von Wurstelers kam und erzählte, daß die schwarze Emmy nun wegen ihrer bevorstehenden Niederkunft durch Bammer dort aus dem Hause geworfen werde, entwickelte sich ein ganz gemüthlicher wechselseitiger Klatsch und Rother drückte Kathi zum Abschied die Hand: »Wenn wir uns wiedersehn, als gute Freunde und Kameraden – und weiter nichts!« Er ging leichten Herzens von dannen, kneipte den Abend mit etlichen Collegen, die einen »Verein für naturalistische Malerei. Ehrenpräsident: Max Liebermann in Paris« gründen wollten, und spürte einen wahren Juchzertrieb, als er sich leichten Herzens schlafen legte – nach der abspannenden erschöpfenden Nervenqual der letzten Zeit.
Er blickte hinaus in die Mondnacht. Marmornes Schweigen lastete über dem monderhellten Schnee.
Doch er hatte sich getäuscht. Plötzlich erhielt er von ihr einen langen Brief, worin sie ihn bat, ihr Bild zurückzusenden.
»Da es nun doch einmal sein muß,« fing sie an »erlaube ich mir noch einige Zeilen zu schreiben, um einigermaßen eine Erklärung herbeizuführen. Daß ich mich neulich damals nicht sprechen ließ dürfen Sie nicht so schwer auf die Waagschale legen namentlich wenn Sie an die letzten Ereignisse denken. Daß Sie mich schwer und fast unverzeihlich beleidigt haben dürften Sie wohl einsehen. Da Sie aber ein bedeutender Mann sind und ich Sie als solchen respektire und Sie, gewissermaßen ehrenhaft gegen mich gewesen sind, will ich Sie nach Möglichkeit Ihrer Ungewißheit entreißen. Wie Sie sich wohl erinnern werden, habe ich Ihnen stets gesagt stets gesagt wir passen nicht zusammen, weil unser Stand zu verschieden ist. Früher oder später hätten Sie Ihren Mißgriff eingesehen und wer hätte darunter am meisten gelitten natürlich ich und Sie wären natürlich auch unglücklich da ich Ihnen nicht diejenige Neigung entgegenbringen könnte, welche zum Glück erforderlich ist. Ich suchte stets Sie von dieser meiner Meinung zu überzeugen. Nun was blieb mir Anders übrig als der Zeit zu vertrauen welche Sie von Ihrem Irrthum abbringen sollte, weil meine schon erwähnte Meinung über die Zukunft mich keinen Augenblick verließ und ich immer mein und Ihr Unglück vor Augen hatte. Wenn Sie glauben, daß nur Sie mich vor meinem Untergang retten können, dürften Sie wohl doch ein wenig im Irrthum sein; ich bin zweiundzwanzig Jahre alt geworden ohne auf schlechte Wege gerathen zu sein, das kann ich mir selbst sagen und ich danke Gott für dieses Bewußtsein. Was Leute klatschen dagegen kann sich Niemand verwahren und deshalb hoffe ich, daß ich auch in Zukunft im Stande, sein werde, weine Selbstachtung zu erhalten. Nun komme ich zum eigentlichen Zweck meines Schreibens, ich möchte nämlich in Frieden scheiden und deshalb bitte ich Sie diese Zeilen, als genügende Erklärung hinzunehmen und gegen mich keine Feindseligkeit zu hegen wie auch ich gegen Sie nicht. Doch da in Zukunft unsre Wege auseinandergehen bitte ich mir mein Bild zurückzusenden. Nun bitte denken Sie über die Geschichte nach, dann werden Sie mich nicht verdammen.«
Trotz der mannigfachen Entstellungen und Uebertreibungen betreffs des springenden Punktes dieser ganzen Romeo- und Julia-Affaire, stak in dem Briefe dennoch eine gewisse Würde und Anständigkeit, die ihn erfreute. Denn es bereitete ihm eine tiefe Genugthuung, daß dies Weib trotz alledem und alledem seiner Liebe nicht unwürdig schien. Auch wurde in der besonnenen Ruhe dieses Schreibens der Größenwahn des Weibes , das seine so viel umworbene Schönheit begreiflicherweise als Angelpunkt der Schöpfung betrachtet, wohlthätig gedämpft.
Und doch! Was galt hier ihre anständige Gesinnung, da sie doch ganz in Händen ihres Mephistopheles lag. Und gegen den mußte man sich schützen, durch sie selbst.
Er sann lange nach. Plötzlich kam ihm eine Idee. Sie kam über ihn wie eine Offenbarung. Sein Freund, der Genremaler Knorrer, hatte ihm kürzlich aus Tirol geschrieben, wo er eine Studienreise machte. Dabei hatte er bemerkt, daß er von Anfang Januar ab in Roveredo einige Wochen zubringen werde, um eine dortiges altes Bild zu copiren. Roveredo! Der Name hatte ihn durchzuckt, er dachte an Kathis eigene Enthüllungen. Ja, er mußte Gewißheit haben, ob die Sache richtig sei. Es konnte als Gegenwaffe dienen. Sie selbst konnte ja alles ableugnen, was sie ihm
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