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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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vor: »Herr Karl Schmoller, Herr Friedrich Leonhart.« Annesley machte große Augen, die zwo Dioskuren der litterarischen Revolution zu erschauen.
    »Ah, sehr erfreut,« nickte der große Schmoller gnädig, indem ein süßliches Lächeln seinen bärtigen Mund umspielte. »Schon viel gehört von Freund Rother über Ihre Begabtheit.«
    Annesley kratzfußte stumm und wunderte sich baß. In seiner Knabenphantasie hatte er sich große Schriftsteller immer
à la
Apollo gedacht. Und nun –!
    Schmoller sah ihm aus, wie der Inspektor einer Gasfabrik. Er trug Ringe an den Fingern, einen spitzgedrehten schwarzen Schnurrbart, als wäre er bei Graf Perpoucher in die Lehre gegangen, und einen behäbigen Havelock. Sein stechendes grünliches Marderauge funkelte unter einer ungeheuren blauen Brille, wegen mangelnder Kurzsichtigkeit aus Gelehrsamkeitsrücksichten. Seine überhängende Stirn dachte sich wölbig in Etagen ab und bildete einen spitzen Winkel, aus welchem die lüstern witternde breitnüstrige Nase vorsprang. Sein dito vorspringender breitwulstiger Mund (offenbar ein naturalistischer Witz der Natur, um »das böseste Schandmaul« anzudeuten) athmete einen halb versteckten halb dreisten Trotz. Eine unheimliche Energie verschönte gleichsam diese bizarre Voltaire-Physiognomie. Dabei schien er überaus satt und wohlgenährt, als ob er für all den Hunger, den er in seinen socialen Romanen schilderte, ein derbes Gegengewicht in seiner Person suche. Er rächte gleichsam seine »Enterbten« durch seinen Dichterappetit. Obschon ein Kölner Kind, vertauschte er gern sein niederrheinisch Platt für Spreeathener-Dialekt. Diesen hatte er gelernt von seinem früheren Intimus Fritz Erdmann, dem »deutschen Zola« – jenem naturalistischen Epiker, dem es im Deutschen Reich zu enge wurde, weswegen er vor geraumer Zeit nach Amerika durchging. Jetzt erbte Schmoller von ihm den Titelrang eines »deutschen Zola« als Nummer 2.
    »Und sagen Sie, sind Sie wirklich der ber–ühmte Leonhart?« fragte Annesley naiv. »Also so sehen Dichter aus?«
    Leonhart schien auf sein Aeußeres wenig Sorgfalt zu verwenden. Seine röthlichen Haare zottelten sich, als wären sie selten gekämmt, und seine auffallend aristokratischen Hände starrten trotz ihrer zartweißen Hautfarbe von Schmutzflecken. Sein mädchenhaft zarter Teint wurde durch diverse Sommersprossen reizvoll belebt und an sein Kinn schien ein zersaustes Ziegenbärtchen angeklebt, das so stoppelig, aussah, wie brandige ausgeraufte Aehren. Auch machte seine unscheinbare dürftige Figur einen wenig imponirenden Eindruck. Sein blaues Auge, unter feingeschnittenen Brauen an einer starkgewölbten breiten Schläfe, schaute verschleiert müde drein. Nur ab und zu kam ein belebterer Ausdruck in dies stille Gesicht, dessen ruhige Miene andeutete, daß sie nicht Alles sehen lasse, – als ob geheim unter der Oberfläche gähre, was Niemand erspähen soll.
    Sie bogen durch die Behrenstraße ein. »Hehe, da is ja das Wein-Restaurant mit den Gobelins und geschnitzten Möbeln, Hochelejant!« rief Schmoller der Joviale. »Hier schaart sich ab und zu die famöseste Klatschgesellschaft von
tout
Berlin zusammen.«
    »Jaja, die ›Lästerschule‹!« murrte Leonhart. »Unter dem Vorwand eines collegialen Schöppchens! Jetzt haben sie's damit, die Modelle meiner Figuren zu beschnüffeln. Da werden die abenteuerlichsten Märchen aufgetischt, jeder braut eine besondere Version. Jaja, die guten Freunde! – In den Geld-Taschen und Hosen der Dichter herumzuriechen, ist des deutschen Schreibmichels Lust! Ihre ungewaschenen Finger in alles Persönliche stecken, – das nennen diese jungen Lait' von's Geschäft ihre ›litterarischen Verbindungen pflegen‹«.
    »›Ob X. wirklich dem Y. so viel gepumpt hat? Ob A. wirklich so hohes Honorar pro Bogen bekommen hat wie er auf Ehrenwort schwadronirt? Wieviel Gehalt hat B. bei der »Tagespost«? Ob man ihn wohl da hinausdrängen kann?‹ Sehen Sie, so wälzt das tiefsinnig anregende Gespräch sich eintönig fort, wie die Ritter-Dramen des Herrn von Alvers.« Er hielt inne, um Athem zu schöpfen.
    »Na und ob!« fiel Schmoller ein, der vor Ungeduld brannte, sich seines
animus injuriandi
zu entladen. »Denk' doch nur an deinen gemeinschaftlichen Freund Boris von Lappezinsky. Salon-Statist! Wechselt fortwährend seine Wohnung, weil er die Miethe schuldig bleibt! Hat eine anständige junge Dame verführt – ( sie hat mir's selbst erzählt ,« fügte er in tugendhafter

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