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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Entrüstung ein) – »und sitzen gelassen!«
    (»So etwas kommt bei uns nicht vor!« brummelte Leonhart ironisch.)
    »Dieser Mensch!« Schmoller griff sich an die Haare, daß sein Bourgeois-Cylinder, den er als großer Volksmann pflichtschuldigst bevorzugte, sich in den Nacken verschob. »Jotte doch, Boris von Lappezinsky!« Er schüttelte sich, als bereite ihm dieser Name, den er langgedehnt herausquälte, einen Hochgenuß. »Boris, Boris, mein Junge, Mann des Popo-Scheitels und der Pomade-Kleberei, hausirst Du immer noch mit Deinen blutrünstigen Colportage-Romanen? Haben Se nix ße dichten?«
    »Ich finde diese amüsanten Skizzen aus der Guten Gesellschaft besser, als manches modeberühmte Geschmier.«
    »Schuster, bleib bei Deinem Drama-Leisten!« schnarrte Schmoller giftig. »Was Du wohl von Romanen verstehst!«
    »Indianergeschichten für große Kinder erzählen, ist die Aufgabe anderer Realisten.« Es ist nicht die meine. – »Du vermochtest mich eben nie zu erfassen,« ertönte feierlich der Bierbaß des Menschheits-Regenerators.
    »Hihi,« kicherte sein Mephisto, »Ne, Dich versteht man nur in Chaldäa. Wie schriebst Du doch neulich so treffend über die conventionellen Phrasen der Culturmenschheit?« »So überkleistert die Form, dieser dürftige Umschlag-Shawl der Aesthetik, den inhaltlichen Beweis des elementaren Persönlichkeitsgefühls«!! »Herr, dunkel ist der Rede Sinn. Stürze Dir man nicht in Unkosten!«
    Ueber das asketische Mönchsgesicht des kleinen litterarischen Luther flog eine hektische Röthe und eine heftige Antwort schwebte ihm auf der Zunge. Aber er zuckte nur vielsagend die Achseln. Größenwahn platzte hier auf Größewahn.
    Beide geübten Schimpf-Majore machte es augenscheinlich nicht im geringsten verlegen, vor den beiden Fremden ihre schmutzige Wäsche triefend auszuringen.
    »Lappezinsky« –, fuhr Schmoller unbeirrt fort, aber diesmal schmollte ihm Leonhart dazwischen:
    »Ein a – anständiger Mensch!« Es kam ordentlich seufzend mit einem Uf heraus, wie eine Schwergeburt der Selbstüberwindung. Denn am liebsten brauchte er den Kosenamen »Schurke«, sobald ihm Jemandes Nase mißfiel.
    »Ach was, fauler Mumpitz!« schimpfte Schmoller fort. »Ein Ohrwurm ist er! Gentlemännische Manieren wissen ja diese Adligen immer herauszubeißen. Er ist immer höflich und liebenswürdig, aber in seinem hübschen glatten Gesicht lauert ein Zug von rücksichtsloser Brutalität!«
    »Ach, laß doch das Physiognomieenlesen!« suchte Leonhart abzubrechen. »Das verstehn ohnehin die Wenigsten.«
    »Oller Optimiste! Wenn Dir man bloß Einer um den Bart geht, ist er bei Dir ein Ehrenmann.«
    (»Oho!« dachte Jener. »Man kann ein Grobian und doch ein Schurke sein.«)
    »Neulich hat er Dich mir gegenüber schlechtgemacht. Macht sich lustig über Dich, dieser kleine dumme Hannefatzke. ›Er möchte gern ein Realist sein‹ hat er gesagt, ›und ist doch stets ein Romantiker.‹ Dabei hat er von Deiner alten dummen Weiber-Geschichte geschwatzt – Du weißt schon, von Der da« – er machte eine imaginäre Handbewegung. »Als ob er 'was davon wüßte!«
    »Ungefähr so viel wie Du,« trumpfte Leonhart ihn trocken ab: »Nämlich gar nichts. – Uebrigens, wenn er mich für romantisch hält,« ein unbeschreibliches Lächeln huschte über das bleiche vornehme Gesicht »so ist das auch noch weiter kein Verbrechen. Lassen wir das!«
    Annesley und Rother, um welche sich die beiden Dioskuren im Gefühl ihrer Wichtigkeit gar nicht mehr bekümmert hatten, folgten nicht ohne Mißbehagen dem Gespräch, das sich nunmehr einem Herrn »Peter von Schnapphahnitzkoy« zuwendete, von welchem Schmoller ehrenrührige Dinge erzählte. Sein Genosse erklärte achselzuckend, daß er den Herrn nicht kenne.
    »Sagen Sie,« fragte der componistiche Wunderknabe leise. »Klatschen diese großen Dichter immer so?«
    Rother zuckte die Achseln und gab keine Antwort.
    Eine Art Menschenauflauf hemmte ihre Schritte.
    Aus der Italienischen Weinkneipe unter den Linden strömte soeben eine ganze teutonische Horde urdeutscher Studenten heraus. Sie umringten einen dicken kurzen Herrn in Frack, weißer Binde und hohem Cylinder, der wie ein höherer Subalternbeamter oder wie ein strammer Unteroffizier aussah – für den Oberflächlichen, während den Tieferblickenden eine gesunde Männlichkeit in seinem gutmüthigen Gesichte anzog.
    »Adalbert von Alvers!« flüsterte Rother von scheuer Ehrfurcht.
    Es war wirklich dieser große

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