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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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auf dem Tische stehend, seine Photographie.
    Rother schüttelte den Kopf. Diese Physiognomie, ohnehin unangenehm konnte wahrlich mit ihrem Schwerenöther-Ausdruck kein sonderliches Vertrauen erwecken. »Ja, Sie sind auch immer so hochfahrend! Und er ist doch ein sehr gebildeter Mann.«
    »Ach was und schreibt unorthographisch! Nun, das mag ja sein wie es will. – Ich will mit der ganzen Geschichte nichts mehr zu thun haben. Zwischen uns ist ja natürlich Alles aus.«
    »Das ist es,« sagte sie ernst. »Ich müßte Sie verachten, wenn Sie jetzt noch ...«
    »Ueberhaupt«.. er trat nahe an sie heran und betrachtete sie: jeder Funken von Leidenschaft schien bei ihm verkohlt. Er fühlte sofort, daß die Entfernung sie ihm allzusehr verschönert hatte, um nicht beim Wiedersehn Enttäuschung zu finden, und daß die sinnliche Begierde bei ihm erloschen war. Doch schien in der That eine auffallende Veränderung zum Schlechten mit ihr vorgegangen. Selbst ihre Stimme bekam einen gewissen butterigen fettklebrigen Ton, den er früher nie bemerken konnte. »Sie haben sich sehr zu Ihrem Nachtheil verändert.«
    Sie lachte etwas bitter. »Aber gar nicht! Das sind so Einbildungen.«
    »Nein doch! Ich begreife absolut nicht, wie ich so weit gehen konnte.. Mir ist, als wäre ich verrückt gewesen und gesund geworden. Was habe ich denn an Ihnen gefunden!« In demselben Moment ging ihm der seltsame Contrast durch den Kopf, wie er früher in seiner Verliebtheit sie gewissermaßen als Naturwunder von Schönheit über sich gestellt hatte. Und nun stand er da, elegant und geschniegelt, mit glänzendem Cylinder und gelben Handschuhen, in vornehmer sicherer Haltung, und sie in ihrem alten Schlafrock mit ihrem Schnupfen sah verstaubt, abgebraucht und gewöhnlich aus.
    »Ja, das ist Ihre Sache,« meinte sie trocken »Ich kann nichts dafür. Von Ihren Phrasen verstehe ich nichts. Ich bin nur ein einfaches Mädchen.«
    »Ach! Früher sprachen Sie anders. – Das liegt so in der Zeit. Das sogenannte Retten der Gefallenen! Ich habe Sie retten wollen –
voilà tout!
«
    »Danke schön. Ich bin noch nicht gefallen. Ob das so in der Zeit liegt, weiß ich nicht. Sie jedenfalls – nun, Sie haben sich doch damit lächerlich gemacht.« Und ein häßliches Lächeln krümmte ihre Lippe.
    »Meinen Sie?« sagte er ruhig. »Was denken Sie wohl, wenn nun Alles herauskäme, wenn ich Ihre Wirthin als Zeugin vorriefe?«
    »O, Frau Lämmers,« sagte sie, indem sie gesenkten Kopfes auf- und abging; sie hatte bis dahin, hinter der Lehne eines Sessels aufgestützt, gestanden. »Wie die auf Ihrer Seite ist, das glauben's gar nicht. Was die mir Vorwürfe macht!«
    »Nun also! Die Welt würde, wenn sie von meiner Verrücktheit hörte, anfangs lachen und sagen: So sind mal die Künstler – siehe Prozeß Gräf. Aber sobald sie alle Umstände erführe, dann würde das Urtheil ganz anders lauten. Man würde sagen: Der Mann hat zwar sehr edel gehandelt, aber er war auch ohnehin durch das Benehmen des Weibes dazu völlig berechtigt; man kann ihm durchaus nicht Thorheit zum Vorwurf machen. Allein Ihre Briefe.. man würde nur sagen: Was für ein abscheuliches Geschöpf!«
    Sie schwieg und sah vor sich hin. Convulsivische Zuckungen durchfurchten ihr Gesicht.
    »Ja, was soll denn daraus werden! Wenn Herr Kohlrausch nun kommt..« Sie betonte den »Herrn Kohlrausch« immer mit einem gewissen feierlichen Ton, in dem nicht nur zärtliches Interesse, sondern auch eine Art Ehrfurcht vibrirte: Offenbar war der große Windikus in ihren Augen ein bedeutendes Geschäftsgenie – jedenfalls der Mann ihrer Wünsche.
    »Der steckt ja schon in Berlin. Auch der Poststempel war von hier.«
    »O nein, der ist noch in Hamburg. Kommt erst in acht Tagen. – Wenn Sie schlau sind, kann Der doch auch schlau sein. Der kann doch auch durch einen Freund das Billet an Sie gesandt haben.«
    »Sieh einmal! Also ein juristischer Dolus. Und vorhin sagen Sie mir, er habe Ihnen gewaltsam meinen Brief mit den Injurien weggenommen.– Na, der Mann liegt mir ja aus Messer geliefert und ich rufe Sie selbst als Zeugin auf.«
    »Oho!« sagte sie trotzig. »Ich sag' doch nichts aus oder widerrufe.«
    »Na,« fiel er schneidig ein, indem er den Cylinder aufsetzte. »So will ich also beschwören, daß Sie selbst mir dies angekündigt haben, also als Zeugin meineidig werden wollen. Das giebt auch eine schöne Handhabe.« Er wußte sehr wohl, daß alles Das nicht so viel bedeutete, wie er draus machte; aber er wollte

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