Grolar (German Edition)
diesem Truck, der für schwieriges Terrain extra höher gelegt war, nicht die Straße passieren konnte. Und falls nicht, was soll's? Sie wären aus diesem Scheißcamp rausgekommen, weg von dem Bären!
So haben die da drinnen keine Chance. Sie roch den Qualm, den sie in ihren Haaren und in ihren Klamotten mit in den Ford getragen hatte, drehte den Zündschlüssel und gab Gas.
Der Motor röhrte auf, die Räder drehten durch. Nur schwer konnte sie das Gas dosieren, denn der Sitz war auf Rays Größe eingestellt. Hauptsache weg.
Sie lenkte nach links über den Platz. Der kleine Spielzeugbagger stand verwaist in ihrem Weg. Als der Vorderreifen ihn erwischte, hörte sie ein kaum vernehmbares Bersten von Plastik. Die Straße raus aus dem Camp kam in Sicht, eine Rettungsinsel in der Dunkelheit.
Sobald sie den brennenden Wohnwagen hinter sich gelassen hatte, sahen das Lager und der Wald und der See aus wie in jeder Nacht.
Bis der Grolar aus dem Schatten neben Jons Trailer auf sie zujagte. Erschrocken schrie sie auf, und ihre Finger krampften sich um das Lenkrad. Vollgas konnte sie auf dem weichen Untergrund nicht geben, die Räder würden nur wieder durchdrehen und der Wagen ausbrechen.
Der Grolar sprang aus vollem Lauf auf sie zu. Knapp verfehlten seine Pranken die Fahrerkabine und erschütterten das Heck des Fords. Für einen Moment übte das Gewicht des Tieres einen derartigen Druck auf die Karosserie aus, dass die Vorderreifen die Bodenhaftung verloren, sie ins Leere lenkte, und als der Truck vorne wieder aufsetzte, quer von der Straße zu schießen drohte. Kelly lenkte panisch dagegen, übersteuerte, wiederholte das gleiche Manöver zur anderen Seite, verlor die Kontrolle, und der 250 prallte mit ihr frontal gegen einen Baum am Straßenrand am Ende des Camps. Unangeschnallt stieß sie gegen das Lenkrad und die Scheibe und verlor die Besinnung.
»Siehst du ihn? Siehst du ihn?«, rief Marten Jon zu.
»Nein! Wir müssen raus hier!«
»Oh Gott«, schrie Tara mit dem weinenden Cliff im Arm.
Rauch zog durch den gesamten Trailer und hatte sogar im Schlafzimmer eine Dichte erreicht, an der sie bald ersticken würden. Dabei hatten sie sogar die Tür geschlossen. Der Qualm quoll durch Dutzende Ritzen zwischen den Wänden, als würde sich der Trailer gierig seinem Ende hingeben.
Jon schob das große Fenster auf, prüfte, ob der Bär ihm nicht auflauerte, und sprang mit dem Gewehr in der Hand auf den Boden zwischen Wohnwagen und Waldrand. Er wirbelte herum zu allen Seiten, jedes Mal stoßweise ausatmend, als könnte er so sein Schicksal abwenden.
»Kommt! Schnell!«, zischte er durch das Fenster.
Das Knacken des Feuers in der Nacht, flackernde Schatten. Alles schien zu leben: jeder Baum, jeder Busch und jeder Stein am Boden.
Marten kam neben ihm auf. Sie sicherten sich wieder gegenseitig, während Tara versuchte, mit Cliff im Arm herauszuklettern.
Jon traute sich erst nicht zu helfen, wichtiger war die Verteidigung gegen einen möglichen Angriff des Bären, aber dann dauerte es ihm zu lange, und er hielt das Gewehr mit einer Hand im Anschlag, während sie ihm Cliff auf die Schulter setzte, damit sie sicher den Wohnwagen verlassen konnte. Mit der anderen Hand hielt er einen Oberschenkel von Cliff, dessen kleine Hände seinen Hals steif umklammerten.
»Wo ist das verdammte Biest?«, hörte er Marten neben sich flüstern, der zur anderen Seite zielte. Vor sich die schwarze wabernde Wand des Waldes, in der durch den Schein der Flammen nicht ein Bär, sondern hunderte zu lauern schienen.
Endlich standen sie alle nebeneinander. Die ganze Zeit hatte Jon daran gedacht, was sie als Nächstes tun sollten. Wo wären sie am sichersten? Was konnten sie erreichen?
Der Radlader war zu klein, ihr Wohnwagen nicht stärker gebaut als Rays, Schutz boten nur die Container!
»Was haltet ihr davon, wir schließen uns im nächsten Container ein, dicker Stahl um uns herum?«
»Ja«, sagte Marten, »gute Idee.«
Jon zögerte keinen Augenblick und ging voraus, vorbei am brennenden Wohnwagen, dessen Hitze ihm im Gesicht brannte, als er vorne vorsichtig um die Ecke schaute. Glas klirrte im Feuer, Knacken, Zischen und Fauchen, als läge ein Drache im Sterben. Eine herübergewehte Wolke Qualm raubte ihnen den Atem, und sie husteten.
Marten deckte ihren Rücken, Tara und Cliff zwischen ihnen.
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