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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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Durch die flimmernde Luft erkannte er den Bären mitten auf dem Platz. Der Grolar stand majestätisch aufgerichtet auf seinen Hinterbeinen zwanzig Meter weiter und zeigte ihm seinen Rücken. Gebannt beobachtete Jon das riesige Tier. Er überragte alles im Camp, jede Maschine und jeden Trailer. Grausam schön. Sein Schädel bewegte sich nach links und rechts, zuckte nach oben, er schnüffelte.
    Marten flüsterte, »Worauf wartest du?«
    Sollte er ihnen sagen, dass er ihn sah? Nur weitere Panik in ihnen auslösen? Erschießen konnten sie ihn von hier nicht. Sie würden ihn verletzen, das wäre alles. Zwei Kugeln im Fell würden dieses Monstrum nicht aufhalten. Es würde auf sie zustürmen wie eine führerlose Lokomotive, und sie hatten keinen Schutz.
    Ascheflocken und Funken stieben in den Nachthimmel.
    Rays Pick-up war nirgends zu sehen. Kelly musste es geschafft haben.
    Sollten sie auch den Truck versuchen? In Martens Dodge? Aber der Bär stand zwischen ihnen und der Straße. Und sein Pick-up war kleiner als Rays.
    Endlich ließ sich der Grolar auf alle viere nieder.
    Jon flehte, der Bär möge sich nicht ihnen zuwenden.
    Und er tat ihm den Gefallen, er wandte sich der Straße zu.
    Jon drehte sich um. Taras Hand verdeckte Cliffs Mund, seine Augen starrten ihn ängstlich an.
    »Wenn ich loslaufe, rennen wir geschlossen zum Container, den Müllcontainer. Das ist der Nächste.«
    Alle nickten, sogar Cliff.
    Dann schaute er dem Grolar nach, der scheinbar alle Zeit der Welt hatte, um seinen Weg fortzusetzen.
    Er sah noch nicht einmal die Rücklichter des 250. Kelly hatte es geschafft. Er drückte ihr die Daumen für den Erdrutsch, dass sie ihn überwinden konnte. Auf jeden Fall hatte sie den Bären so abgelenkt, dass sie sich in ein sicheres Versteck zurückziehen konnten.
     
     
Kellys Augenlider öffneten sich einen Spalt. Ihr Kopf lag auf dem Lenkrad, Blut strömte aus ihrer Nase und aus ihrem Mund, als müsste sie daran ertrinken. Ihre Nase war gebrochen. Das hatte sie mal bei einem Typen in einer Bar gesehen, der sich mit dem Bouncer angelegt und von ihm eins verpasst bekommen hatte. Das Blut schoss ihm förmlich aus der schiefen Nase.
    Sie spuckte zwei Schneidezähne aus, das spürte sie mit ihrer Zungenspitze. Ein tauber Schmerz strahlte von ihrer Nase und dem Oberkiefer aus.
    Ihr war nach Heulen zu Mute, aber sie erinnerte sich an den Bären, den Unfall, ihre Flucht, sofort war sie hellwach. Sie schaute über ihre Schulter aus dem Heckfenster. Der Grolar strebte auf sie zu, deutlich zeichnete sich seine massige Gestalt schwarz gegen das Feuer hinter ihm ab. Keine zwanzig Meter trennten ihn von ihr. Sie drehte den Zündschlüssel, doch der Motor reagierte nicht. Vor ihr ragte die verbeulte Motorhaube hoch.
    Zuerst wollte sie in der Fahrerkabine bleiben, doch sie konnte nicht glauben, dass die Scheiben einen geeigneten Schutz gegen dieses Untier boten. Auch ihren zweiten Gedanken, die Straße hinunterzulaufen, verwarf sie so schnell, wie er ihr gekommen war. Das konnte sie nicht schaffen, Bären waren schneller. Klettern, das konnte sie, und das konnte sie wahrscheinlich besser als dieses Monster.
    Der Bär hatte die Entfernung halbiert.
    Sie sprang aus dem Wagen und mit einem Satz direkt auf den Motorblock, indem sie sich vom Vorderrad mit einem Fuß hochstemmte. Sie richtete sich trotz ihres Schwindels auf und konnte die ersten größeren Äste der Fichte erreichen. Kelly zog sich hoch, ihren Kopf im Nacken, wodurch sie mehrmals ihr eigenes Blut ausspucken musste, weil es ihr von der Nase direkt in den Hals lief, als würde ihr jemand einen Schlauch hineinhalten. Würgegefühle.
    Sie blickte nicht nach unten. Noch war sie nicht hoch genug, und sie half mit dem Fuß auf der Kante der Motorhaube nach und kletterte höher, bis sie sich auf einen dicken Ast setzte, der sie tragen konnte.
    Von hier oben erschien ihr der Grolar weder wütend noch blutrünstig. Er stand unter ihr und schaute hoch, ganz so, als wäre er zufällig hier vorbeigekommen, gleichgültig, als wäre sie ihm egal. Er stand seitlich zum Feuer, so dass die eine Seite von ihm angestrahlt wurde, während die andere im Schatten lag.
    Baumhoch züngelten die Flammen aus dem Trailer in der Ferne, und sie glaubte, die anderen über den Platz laufen zu sehen. Rufen wollte sie nicht, das könnte den Bären unnötig

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