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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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ist«,
setzte Lisa mit Bitterkeit nach.
    »Das tut mir leid. Dann war Ihr erster Mann - David - also der
Vater von Ihrem Sohn Daniel?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Entschuldigen Sie, wenn die Frage zu indiskret gewesen sein
sollte. Ich wollte Sie nicht in ...«
    »Nein, nein. Schon in Ordnung. Nur sind Sie der erste, dem das
nach so kurzer Zeit überhaupt aufgefallen ist. Das hat mich etwas ...
überrascht.«
     
    Alexander Holtz wartete eine Minute, bis sich seine Augen an die
Dunkelheit gewöhnt hatten. Währenddessen hörte er, wie es von irgendwoher
gleichmäßig tropfte. Ganz in seiner Nähe baumelte eine meterlange, rostige
Kette von einem unter der Decke montierten Stahlträger herab und schwang
geräuschlos hin und her. Es roch streng. Der Boden war übersät mit Vogelkot und
grauen Federn. Schwärme von Fliegen schwirrten summend umher, wobei sie ständig
die Flugrichtung änderten, als könnten sie sich nicht entscheiden, wo sie
hinwollten. Ein blendend heller Fleck in einer Ecke des kirchenschiffgroßen
Lagerraumes verriet, dass in der Decke, in den Decken darüber und im Dach ein
Loch mit einem Durchmesser von wenigstens fünf Metern klaffen musste.
    Holtz nahm die Gebäudeskizze zu Hilfe, die er zusammen mit dem Erma SR-100 erhalten hatte, und machte sich auf den Weg zum Dach. Er ging zwanzig
Schritte geradeaus, bog nach rechts und kam zu dem traurigen Skelett eines
Lastenfahrstuhlschachts, dem das Wichtigste fehlte: die Fahrstuhlkabine.
    Etwas, das einmal eine Treppe gewesen war, wand sich eckig und Geländer
los um die Überreste des Aufzugs herum. Vorsichtig setzte Holtz seinen Fuß auf
die erste Stufe, die - doch das würde Holtz nie erfahren - die besterhaltene
des ganzen Gebäudes war. Dicht an der Wand brachte er sich nach oben. Da er
jede Treppenstufe erst auf ihre Tragfähigkeit prüfen musste, dauerte das eine
Weile.
    Je höher er kam, desto heller wurde es. Auf den letzten paar Stufen
kniff er die Lider zusammen, weil das hereinbrechende Tageslicht in den Augen
schmerzte. Endlich auf dem Flachdach angekommen, stellte Holtz den Koffer auf
die nächstbeste Abdeckung einer Entlüftung, nahm die Kommunikationseinheit
heraus und setzte sie auf.
    »Bin in Bereitschaft. Erwarte ...«
    »Wir sehen Sie«, unterbrach ihn eine männliche Stimme. »Bringen
Sie sich auf der von Ihnen aus linken Gebäudeseite in Position und melden Sie
sich dann wieder. Verstanden? Ende.«
    »Verstanden. Ende«, bestätigte Holtz. Er nahm den Aluminium-Koffer
von der Abdeckung und marschierte rund 40 Meter über das unebene Flachdach des
Lagerhauses. Es war mit bläulich-schwarzen Asbestplanen bedeckt, die in der
Sonne weich geworden waren und nun zäh unter seinen Schritten nachgaben. Das
Ende des Daches war von einer 60 Zentimeter hohen Mauerkante gesäumt. Er
wählte eine halbwegs saubere Stelle und ließ sich nieder.
    Die Verschlüsse des Aluminium-Koffers schnappten auf. Holtz hob
den Deckel, und zum Vorschein kamen Schaft und Lauf des Erma SR-100.
Daneben lagen, in Schaumstoff gebettet, das Zielfernrohr und ein Zwei-Bein-Stativ,
außerdem zwei Magazine Munition.
    Er setzte das Gewehr so schnell und geschickt zusammen, als hätte
er sein Leben lang nichts anderes getan. Jeder Handgriff saß. Er arretierte das
Zielfernrohr und schob eines der Magazine ein. Schließlich entsicherte er das
Gewehr mit einer ruckartigen Bewegung. Prüfend stemmte er den Kunststoffschaft
gegen die rechte Schulter und sah durch das Fadenkreuz des Zielfernrohrs.
Alexander Holtz nickte zufrieden. Er war bereit.
    Das einzige Ziel, das sich ihm bot, war eine etwa 350 Meter
entfernte Industrieanlage. Hinter deren Sicherheitsumzäunung war eine Reihe
riesiger, kugelförmiger Tanks mit silberglänzenden Gasleitungen zu sehen.
Dutzende behelmter Arbeiter waren zu erkennen. Die Vorarbeiter unter ihnen
hielten Listen in den Händen. Sie schienen etwas zu überprüfen.
    Einer von ihnen, den Holtz mit bloßem Auge kaum erkennen konnte
und auch nur dann, wenn er sich bewegte, trug zu der üblichen Arbeitskleidung
ein rotkariertes Hemd. Er hantierte an mehreren Hebeln und Schaltern einer
Konsole, von der aus sich der Gas-Durchfluss in einem Teil der Leitungen
steuern und kontrollieren ließ. Ein gelbes Warnschild mit der Aufschrift
VORSICHT! EXPLOSIONSGEFAHR! prangte deutlich sichtbar über dem Kühlschrank-großen
Pult.
    Holtz legte an.
    Er sah durch das übergroße und ungewöhnlich lichtstarke Zielfernrohr
und nahm erst einen der Kugeltanks, dann

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