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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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geraten, bleibst du dem Wesen ausgeliefert. Nur der Gogler ist in der Lage, dich wieder aus der Schale zu holen. Wir hatten Glück. Viele Krieger verschwanden auf ewig durch eine einzige Berührung, verhungerten oder erfroren. Andere wurden in der Leere wahnsinnig und rannten nach ihrer Befreiung kopflos davon.«
    Harus Mund zog sich bei dieser Vorstellung zusammen, und der Appetit verging ihm. Welch trostloser Tod.
    »Aber die meisten Menschen endeten, genau wie vorlaute Barden, als Lebendfutter für hungrige Gogler.« Eine kratzige Stimme unterbrach Brinells geschmeidigen Wortfluss und ließ Haru und die anderen herumfahren.
    Das entsetzlichste Wesen, das Haru je erblickt hatte, stand vor ihm.
    »Ich bin Tulima.« Der klapperdürre Fremde nickte Brinell zu. »Eine gelungene Vorstellung, Sänger. Aber wie immer erzählen die Menschen nur ihren Teil der Wahrheit.«
    Tulima überragte Haru, war aber nicht so hochgewachsen wie Brinell. Seine bräunliche Haut wirkte pergamenten, die Glieder, soweit in dem lockeren Gewand zu erkennen, glichen trockenen Ästen, die man an einer Vogelscheuche befestigt hatte. Er sah aus wie ein zu dünn geklopftes Schnitzel.
    Das musste ein Fahler sein.
    »Lass mich sofort frei!«, forderte Brinell, der als Erster die Sprache wiederfand. »Auch die Halblinge. Wer friedliche Barden verletzt, wird von meinem Volk geächtet.«
    Meckernd lachte Tulima. Sein starres Gesicht verzerrte sich dabei wie unter Krämpfen. »Wenn du frech wirst, Sänger, verfüttere ich dich sofort an meine Haustiere. Dann bleiben mir wenigstens weitere Lügen erspart. Und was dein Volk angeht: In Wahrheit wollten die ach so friedliebenden Menschen den Bergbewohnern bloß die Schätze und Erze des Gebirges rauben. Um noch mehr Waffen für Eroberungen zu schmieden. – Nerx!«
    Hinter dem Neuankömmling erschien eine Kreatur. Die granitfarbene Haut des Goglers war schrundig wie verwitterter Stein, die ungeschlachten Gliedmaßen plump und rundlich. Abgesehen von seiner Masse wirkte er kaum bedrohlicher als eine riesenhafte Schnecke. Aber Haru hatte erlebt, wie rasch sich die Gogler bewegen konnten, und die Erzählung von Brinell über ihre Eigenarten jagte ihm jetzt noch kalte Schauder über den Rücken.
    Tulima winkte Haru und Tirza heran und zeigte in den Gang. »Mitkommen, ihr beide!«
    »Befrei meinen Fuß.« Haru rappelte sich absichtlich ungeschickt auf. »Ich kann so nicht laufen.«
    »Dann wirst du es lernen. Oder ich schicke Nerx, um dich Früchtchen auf Goglerart einzusammeln.«
    Auf Geheiß seines Herrn trat der Gogler vor und hob den kübelförmigen Kopf. Aus dem von Furchen gebildeten Gesicht blitzten zwei blaue Augen eisig hervor.
    Im Nu war Haru auf den Beinen und humpelte los. Einige mühsame Schritte später hatte er den Dreh raus. Zuerst hievte er das schwere Bein mit aller Muskelkraft vorwärts. Anschließend bewegte er den Klumpfuß einen Viertelkreis zur Seite, um sein Gleichgewicht einigermaßen zu halten.
    Tirza ließ sich ebenfalls nicht lange bitten. Vielleicht hatte sie aber auch begriffen, dass sie so die beste Gelegenheit zum Auskundschaften der Festung bekam.
    Der Fahle trat beiseite, um sie zusammen mit dem Gogler durchzulassen, der sie vor sich hertrieb wie fußkranke Schafe.
    Im Vorbeigehen bemerkte Haru die silbrige Gewandspange an Tulimas Kragen. Es war Skaggis Schatz mit den funkelnden Steinen. Und es gab nur einen Weg, wie der Fremde darangekommen sein konnte.
    Sein Zorn brodelte auf und überwand die Angst. »Was hast du mit Skaggi gemacht?«
    Genugtuung überzog das maskenhafte Gesicht des Fahlen. »Nur Geduld. Das wirst du früh genug feststellen. Und du darfst mich Meister Tulima nennen.«
    »Für mich bist du ein Dieb!« Haru knirschte mit den Zähnen und fing sich einen Stoß von Nerx ein. Sie betraten einen Gang. Ein weiterer Gogler machte den Weg aus der Zelle frei.
    »Svar, du passt auf den Menschen auf«, befahl ihm Tulima.
    Sie kamen quälend langsam vorwärts und doch viel zu rasch für Haru, der fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. Es gab im ganzen Gebäude keine Fensteröffnung, der Großteil des Lichts fiel von außen durch Lücken im Mauerwerk ein. Der Bau schien nachlässig errichtet worden zu sein.
    Schließlich landeten sie in einer Steinkammer tief im Inneren der Festung, die von Feuerschalen beleuchtet wurde. Dort hing Skaggi in eingelassenen Eisenschellen an der Wand.
    Haru fuhr bei seinem Anblick erschrocken zurück und wäre fast gegen den Gogler

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