Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba
pikiert.
Haru winkte ab. »Vielleicht kannst du die Geschichte für uns ja etwas weniger langw … – ausführlich erzählen?«
Der Barde schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ich vergaß, kleine Leute lieben kleine Geschichten. Nun gut.«
Brinell schloss die Augen, um den Faden der Erzählung wieder aufzunehmen. »Alamar verfolgte einen tollkühnen Plan. Er stellte sich den Goglern nicht weit von hier zum Kampf. Seine Streiter fuhren ihren Speerspitzen gleich zwischen die Feinde. Aber die Kriegerschar schmolz dahin wie Schnee im Sonnenschein. Dutzende zerrten die Gogler in ihre Schalen. Unter hohen Verlusten ebneten die Speerträger Alamar und seiner kleinen Schar Zauberer den Weg ins Zentrum des Heers. Es war ein ungleiches Ringen, denn einzig die Speerschäfte aus Schwarzholz hielten die Kreaturen auf Abstand, Metall zerbrach an der felsigen Haut. Schließlich, als die Nacht bereits heraufzog, erreichte die kleine Gruppe ihr Ziel. Nur wenige Getreue verteidigten sie jetzt noch, die anderen waren tot oder wünschten, es zu sein.
Dort, inmitten des feindlichen Heeres, tat Alamar, was nur der Prinz von Stirka vermochte. Er vereinte sein Trachten mit dem der Zauberer und der Macht seines Sternenkristalls. So befahl er einen Stern vom Firmament. In brausendem Bogen stürzte das glänzende Gestirn herab und zerschmetterte den Kristall, Alamar und die Seinen.«
»Oh«, murmelte Tirza, die offenbar unter einer Heldensage etwas anderes erwartet hatte.
Mit belegter Stimme fuhr Brinell fort: »Der Stern krachte mit gewaltiger Kraft zur Erde. Er riss eine Furche und begrub das Heer der Gogler unter sich. Sie stürzten zu Boden und erhoben sich nimmer, denn die Wucht des Einschlags kehrte ihr Innerstes nach außen. Alle Gogler versteinerten da, wo sie standen, und wurden wieder zu dem Element, aus dem sie geformt waren.
Aus dreien der Felsen, zu denen die Gogler geworden waren, schuf man später dem tapferen Prinzen ein Denkmal. Da hatten Fahle und Menschen schon den Frieden ausgehandelt. Die Lichtscheuen blieben fortan im Gebirge, und wir siedelten im Osten.« Jetzt schmunzelte Brinell. »Und dazwischen lebt das Kleine Volk mit seinen kurzen und kurzweiligen Geschichten.«
Endlich setzte sich für Haru ein Bild der Ereignisse zusammen. »Tulima hat also die drei erstarrten Gogler des Hünengrabs wiedererweckt. Die hungrigen Ungetüme schlugen sich die Wänste mit den Sachen der Händler voll und – mit den Händlern selbst.«
Skaggi hüstelte. »Denk daran: Das passierte, noch ehe er meine Fibel hatte. Tulima wurde erst danach auf meine Brosche aufmerksam und ließ mich entführen. Die Frage ist also: Wozu braucht Tulima eigentlich Sternenkristalle? Er kann sie doch nicht als Waffen benutzen wie Alamar, richtig?«
»Nein. Die Macht über die Sterne wird mit dem Blute weitergegeben. Tulimas Herkunft ist mir schleierhaft, aber sicher entstammt er nicht der Königslinie von Stirka, die sich durch besonders edlen Wuchs auszeichnet.« Brinell verzog das Gesicht, als hinterließe der Name des Zauberers einen schlechten Geschmack in seinem Mund.
Haru stand noch ganz unter dem Eindruck der Geschichte der erstarrten Goglerarmee. Waren es schlafende Gogler gewesen, die er damals im Nebel in den Steinen des Hünengrabs gesehen hatte? Und wieso hatten die Felsen nur bei dieser Gelegenheit und allein für ihn geleuchtet? Und wenn in diesen Steinen Leben geherrscht hatte, wie in riesigen Vogeleiern, was war mit den übrigen zu Stein Erstarrten? Ihm kam ein erschreckender Gedanke. »Könnte jemand das Steinerne Heer mit Hilfe der Sternenkristalle zu neuem Leben erwecken?«
Brinells knotiger Kehlkopf hüpfte auf und ab. »Zauberei ist nicht mein Fachgebiet. Aber Tulima hortet Edelsteine, so sagt ihr, und vielleicht beherrscht er die Magie der Fahlen und damit auch die Gogler … Es mag sein, dass man die vom zerschmetterten Sternenkristall gezeichneten Gogler mit einem Sternenkristall kontrollieren kann.«
Skaggi stöhnte leise, und Haru wurde flau zumute.
»Schlimmer noch«, fuhr der Barde fort. »In dem Pergament geht es in der Tat um die Beherrschung einer Goglerarmee und um Sternenkristalle. Ich habe das zuerst für einen historischen Text gehalten, aber nun … Hier heißt es, je mehr solcher Kristalle jemand besitzt, desto größer wäre die Macht, die er befehligt.«
»Das würde Tulimas Kristall-Besessenheit erklären«, sagte Haru. Ihm selbst wurde ganz schwindelig bei der Erinnerung an die frostige Schönheit
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